Derzeit läuft die Tarifrunde für Beschäftigte im Nahverkehr. Zuständig für die Aushandlung des Tariflohns sind – in guter Tradition der Sozialpartnerschaft – Tarifparteien, Arbeitgeber und Gewerkschaften. Ein Einfluss der Politik verbietet sich da.
Es liegt aber auf der Hand, dass eine bessere Bezahlung ein Baustein für eine höhere Attraktivität der Verkehrsberufe sein kann. Beim Stundenlohn etwa für Busfahrpersonal hat sich einiges getan. Doch bleibt die Entwicklung ein Wettlauf mit der Inflation und dem Mindestlohn. Zu diesem sollte es einen ordentlichen Lohnabstand für die verantwortungsvolle sowie körperlich und psychisch anstrengende Fahrtätigkeit geben.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Kommunale Verkehrsbetriebe genauso wie kleinere Mischbetriebe mit Linien-, Schüler- und Reiseverkehr haben durch Corona, hohe Treibstoffpreise und Einnahmeverluste durch das 49-Euro-Ticket wenig finanzielle Spielräume. An motivierenden Arbeitsbedingungen und besserer Planbarkeit des Schichtdienstes zur Kombination von Beruf, Familie und Ehrenamt arbeiten die Unternehmen bereits. Und auch die gesellschaftliche Wertschätzung, insbesondere für Fahrerinnen und Fahrer, muss besser werden. Hier ist jeder von uns in Politik und Gesellschaft gefordert, respektvoll über den Fahrerberuf zu sprechen.
Schon mit der Einführung der Berufskraftfahrerqualifikation hatte ich als damaliger Geschäftsführer eines Busunternehmens die Sorge, dass der Weg für Quereinsteiger in den Fahrerberuf extrem lang, teuer und kompliziert würde. Dazu entfällt die Bundeswehr als Kraftfahrerschmiede der Republik: Wurden zu Zeiten der Wehrpflicht 1998 noch rund 38.601 Lkw- und Bus-Führerscheine beim Bund gemacht, waren es 2022 gerade einmal 9.602 Fahrerlaubnisse.
So fehlen im deutschen Berufskraftfahrermarkt jedes Jahr fast 30.000 potenzielle neue Führerscheininhaber. Und sechzehn Jahre erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Ära Merkel haben so manche Fachkraft aus dem Handwerk oder der Industrie vom Fahrersitz in den erlernten Beruf zurückkehren lassen.
Wie man dem Fahrpersonalmangel begegnen kann
Als Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für Fachkräfte im Verkehrssektor bin ich seit Beginn der Wahlperiode mit Unternehmen und Branchenvertretern für Lkw, Bus und Bahn im Austausch, zum Beispiel mit meinem Runden Tisch Fahrpersonalmangel. In dem Gremium beraten wir Verkehrspolitiker der Union uns regelmäßig mit der Branche und haben konkrete Vorschläge entwickelt, was wir politisch insbesondere gegen den Fahrpersonalmangel tun können.
Diese Vorschläge haben wir in Form von Anfragen und Anträgen in den Deutschen Bundestag eingebracht und an die Ampelregierung herangetragen. Die hat aber bis zum heutigen Tag, also zwei Jahre nach Amtsantritt (!), keine Maßnahmen ergriffen, um dem Problem zu begegnen – trotz lauter Hilferufe aus der Branche. Für uns als Union gibt es folgende zentrale Stellschrauben:
- Eine effizientere
Berufskraftfahrerausbildung: Zum Beispiel durch weniger
Pflichtstunden und durch die Möglichkeit, Führerschein und
Berufskraftfahrergrundqualifikation kombiniert zu absolvieren. Das würde auch
die Kosten für den Führerschein senken, der derzeit bis zu 12.000 Euro kosten
kann. Machen wir´s wie Österreich, wo man in nur sechs bis zehn Wochen
Berufskraftfahrerin oder Berufskraftfahrer werden kann, statt wie in
Deutschland in sechs Monaten.
Außerdem: Die Prüfung der Berufskraftfahrerqualifikation sollte auch in anderen Sprachen möglich sein. Die BKF-Prüfung ist die größte Hürde für ausländische Bewerber, die gern in Deutschland arbeiten möchten. Den Führerschein kann ich heute schon in über 12 Fremdsprachen machen. Das sollte auch für die anschließende IHK-Prüfung gelten und würde in der Praxis mehr Anwärtern helfen, die Ausbildung zu bestehen. - Eine schnellere und
unbürokratische Anerkennung von Führerscheinen und Berufsqualifikation von
Fahrern aus Drittstaaten: Bei Berufskraftfahrerinnen und
-fahrern aus EU-Staaten spielen Sprachkenntnisse keine Rolle, sie können mit
ihrer Qualifikation aus dem Heimatland jederzeit bei einem deutschen
Unternehmen anfangen. Fahrpersonal aus Drittstaaten aber, das seit Jahren mit
40 Tonnen oder Fernlinienbus auf deutschen Straßen unterwegs ist, muss Deutsch
auf Level B1 vorweisen und bei Führerschein und BKF bei null anfangen, um bei
einem deutschen Fuhrunternehmen arbeiten zu dürfen – eine gewaltige Hürde.
Dazu kommen die Zustände in den deutschen Konsulaten mit Wartezeiten von gut und gern sechs Monaten allein, um einen Termin zur Beantragung eines Arbeitsvisums zu kommen. Und das beschleunigte Verfahren gibt‘s nur für solche Bewerber aus Drittstaaten, die bereits die EU-Grundqualifikation haben – ein Widerspruch in sich. Die dringend benötigten Fachkräfte so am langen Arm verhungern zu lassen, können wir uns in Deutschland schlichtweg nicht mehr leisten. Wir haben kein Erkenntnisproblem beim Fachkräftemangel, sondern brauchen sofortige Maßnahmen!
Auch weniger offensichtliche Dinge können zur Lösung beitragen:
- Gerade in der Busbranche sind Teilzeitmodelle
erforderlich, um die vielen Verstärkerfahrzeuge zum Berufs- und Schulverkehr zu
meistern, bei denen die Busse oft nur zwei Stunden im Einsatz sind. Das kann
zum Beispiel für Menschen, die in Teilzeit, im Nebenberuf oder neben dem
Studium arbeiten wollen, sehr attraktiv sein. Entsprechende Werbekampagnen der
Branche laufen hier aktuell. Es wäre sinnvoll, wenn die Bundesagentur für
Arbeit den Führerscheinerwerb für Minijobber fördern würde. Umso wichtiger ist erfahrenem Busfahrpersonal, das auch in der Rente gern für die Kurzläufer im
ÖPNV eingesetzt wird, bei den jährlichen, zeitintensiven Fortbildungsmodulen
entgegenzukommen. Beispielsweise mit der Möglichkeit einer Reaktivierung von ruhenden Busführerscheinen durch Auffrischungskurse, analog den Kursen zum
Punkteabbau in Flensburg.
- Um die Anzahl der nutzbaren Bus- und
Lkw-Fahrerlaubnisse zu steigern, könnte man diese zu
einem festen Bestandteil in der Bundeswehrgrundausbildung des freiwilligen
Wehrdienstes machen.
- Die Bundesregierung sollte endlich die EU-Verordnung umsetzen, die ukrainischen Berufskraftfahrerinnen und -fahrern ermöglichen würde, in Deutschland eine Beschäftigung aufzunehmen – ohne die komplizierten Vorgaben für Fachkräfte aus Drittstaaten anzulegen. Analoge Anerkennungsregelungen brauchen wir für alle europäischen Drittstaatler, die bereits auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. Das Fahrpersonal aus der Türkei, Kosovo, Serbien oder Belarus hat oft jahrelange Fahrpraxis in Deutschland, will einen ordentlichen Arbeitsvertrag in Deutschland und unsere Verkehrsunternehmen sind bereit, Fachkenntnis und Sprache bedarfsgerecht nachzuschulen.
Täglich gehen mehr Fahrerinnen und Fahrer in Rente als neue, die am Steuer beginnen. Nur mit mutigen Schritten kann Deutschland den Personalnotstand noch abwenden. Sonst droht Kahlschlag im ÖPNV und der Abriss von Lieferketten.