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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wirksamer Klimaschutz durch Lenkungswirkung auf die Bestandsflotte

Ralf Diemer, Geschäftsführer E-Fuels Alliance
Ralf Diemer, Geschäftsführer E-Fuels Alliance Foto: Foto: promo

Auf dem Weg zur Nettonull hat die Europäische Union mit der überarbeiteten Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III) einen wichtigen Schritt unternommen, um fossilen Kraftstoffen den Rücken zu kehren. Doch ohne eine schnelle und ambitionierte Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht werden wichtige Chancen verspielt.

von Ralf Diemer

veröffentlicht am 12.04.2024

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Der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr stagniert auf niedrigem Niveau – der Verkehrssektor ist damit weiterhin Sorgenkind jeglicher Klimaschutzbemühungen. Mit gerade einmal 7,5 Prozent Erneuerbaren am gesamten Kraftstoffangebot im Straßen- und Schienenverkehr verfehlt der europäische Verkehrssektor selbst die verbindliche Zehn-Prozent-Quote der RED I – darunter auch wichtige Zugpferde wie Frankreich, Deutschland und Spanien. Im März 2023 erhöhte die EU ihr eigens gestecktes Ziel im Verkehrssektor bis 2030 auf 14,5 Prozent Treibhausgasminderung beziehungsweise energetisch 29 Prozent, wobei letzteres viele Mehrfachanrechnungen einzelner Optionen enthält. Eine Erhöhung des Ziels war längst überfällig, doch auch die neue Zielsetzung greift zu kurz und bleibt hinter ihrem realen Potenzial.

Ambitionierte Treibhausgasreduktion ohne Multiplikatoren

Denn das Ambitionsniveau ist weiterhin zu gering, um die Defossilisierung des Verkehrssektors entschieden voranzutreiben. Das liegt nicht minder an den erneut eingebrachten Mehrfachanrechnungen der verschiedenen Erfüllungsoptionen. Multiplikatoren können kurz- und mittelfristig eine Lenkungswirkung in Richtung bestimmter Technologiepfade haben. In der Realität blähen sie aber die Anteile der Energieträger rechnerisch auf und verzerren damit ihren realen Klimaschutzbeitrag. Langfristig muss somit auf Multiplikatoren verzichtet werden, um eine realistische, faire und transparente Förderung erneuerbarer Energien zu gewährleisten. Doch bereits bis 2030 ist es möglich, die klimapolitische Vorreiterrolle der EU zu stärken und eine 20-prozentige Treibhausgasreduktion zu verfolgen. Jüngste Studien zeigen, dass dieses Ziel zwar ehrgeizig, aber erreichbar ist.

Der Anteil erneuerbaren Stroms am künftigen Kraftstoffmix ist aufgrund des derzeit ungewissen Markthochlaufs der Elektromobilität schwer vorherzusagen. In den wissenschaftlichen Folgeabschätzungen der CO2-Flottenregulierungen für Pkw und Lkw geht die EU-Kommission von einer gesamtelektrischen Nachfrage in Höhe von 102 TWh im Jahr 2030 aus. Zuzüglich 55 TWh elektrischen Bedarfs für die Schiene und unter Berücksichtigung eines Anteils an erneuerbarem Strom von 65 Prozent und des prognostizierten Gesamtkraftstoffverbrauchs im Fit-for-55-Szenario der EU-Kommission beläuft sich der erwartete potenzielle Beitrag zur energetischen Zielerreichung durch erneuerbaren Strom im Jahr 2030 auf 4,3 Prozent energetisch am Gesamtverbrauch.

Aufgrund der großen Bestandsflotte hat selbst eine Verdoppelung der Anzahl von E-Fahrzeugen eine geringe Wirkung auf die RED-T-Ziele. Bedenkt man die beschlossene Mehrfachanrechnung um Faktor 4 für Ladestrom und Faktor 1,5 für Strom im Schienenverkehr, ist der Klimaschutzbeitrag auf dem Papier allerdings künstlich stark erhöht, ohne einen entsprechenden realen Klimaeffekt zu erzeugen.

Erneuerbare Kraftstoffe

Konventionelle und fortschrittliche Biokraftstoffe sind in ihrem Anteil am Endenergieverbrauch im Verkehrssektor aufgrund politischer Akzeptanz und Verfügbarkeit nachhaltiger Biomasse begrenzt. Die RED III sieht bislang eine kombinierte Quote in Höhe von 5,5 Prozent für fortschrittliche Biokraftstoffe sowie Wasserstoff und E-Fuels (RFNBO) im Jahr 2030 vor.

Um den Hochlauf des Wasserstoffmarktes zu erleichtern und klare Investitionssignale zu senden, muss diese kombinierte Quote getrennt und die Unterquote für RFNBO auf mindestens fünf Prozent ab 2030 erhöht werden. Mit einem zusätzlichen Zwischenziel von einem Prozent RFNBO im Jahr 2028 lassen sich Skalierungseffekte abschöpfen und die Ziele der nationalen Wasserstoffstrategien einhalten. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Ziele über 2030 hinaus angekündigt werden. E-Fuels-Anlagen haben eine Betriebszeit von 20 bis 30 Jahren. Zur Investitionssicherheit ist es notwendig, dass die Bundesregierung Projektionen über 2030 hinaus festlegt.

Die in der RED III beschlossene Ein-Prozent-Unterquote für RFNBO ist eindeutig zu niedrig. In einer Publikation für die technische Universität zu Graz konnte gezeigt werden, dass damit im Jahr 2030 lediglich eine Nachfrage von 36 TWh RFNBO entstehen würde. Abzüglich der doppelten Mehrfachanrechnung ergeben sich daraus nur 18 TWh. Zehn TWh davon werden durch die ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime angereizt, sodass mit der 1,5-fachen Mehrfachanrechnung der RED für RFNBO in der Luft- und Schifffahrt die Unterquote der RED fast vollständig gedeckt wird. Zusätzliche Mengen für den Straßenverkehr bleiben so aus. Das Klimaschutzpotenzial der Bestandsflotte wird schlicht nicht adressiert.

Ferner muss die Luft- und Schifffahrt zwingend in die nationale Umsetzung aufgenommen werden. Bleibt dies aus, können die auf EU-Ebene verabschiedeten Mengen in Gänze durch andere Mitgliedsstaaten erfüllt werden. Auf die Erreichung unserer nationalen CO2-Ziele würden diese Bereiche demnach nicht einzahlen – doch auch hier braucht es zwingend Veränderungsdruck.

Folgen wir den Forderungen von Lobbyumweltverbänden wie T&E, die lediglich 1,2 Prozent E-Fuels für die Luft- und Schifffahrt fordern, reizen wir 20-mal weniger E-Fuels im Verkehrssektor an, als marktseitig möglich und weniger als die in der RePowerEU geforderte fünfprozentige RFNBO-Quote. Nicht zuletzt zementiert eine so niedrige Quote weitere Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen und konterkariert frühe Klimaschutzmaßnahmen.

Lenkungswirkung des Bestands nutzen

Weltweit 1,4 Milliarden, in Europa rund 270 Millionen und in Deutschland knapp 49 Millionen Fahrzeuge – die Bestandsflotte, die heute und auch in den kommenden 20 bis 30 Jahren auf unseren Straßen betrieben wird, ist enorm. Während die Elektromobilität eine wichtige Säule im künftigen, klimafreundlichen Verkehrssystem spielt, darf das Emissionsminderungspotenzial der Bestandsflotte nicht ignoriert werden.

Eine EU-weite Beimischung von nur fünf Prozent E-Fuels in konventionellen Kraftstoffen spart jährlich 60 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht dem Ausstoß von 40 Millionen Fahrzeugen in einem Jahr. Ohne erneuerbare Kraftstoffe ist die Verkehrsvermeidung hinsichtlich der Bestandsflotte die einzig verbleibende Option zur CO2-Reduktion.

Studien des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigen, dass eine Beimischung von fünf Prozent den Kraftstoffpreis um 0,07 Euro/Liter ansteigen lässt. Das ist weniger als die Erhöhung der CO2-Steuer in Deutschland zu Anfang des Jahres. Weitere Preissteigerungen können ausgeschlossen werden, da Skaleneffekte zur Reduktion der Produktionskosten führen und damit höhere Kraftstoffpreise bei mehr Beimischung ausgleichen. Zusätzlich sollte die Energiesteuer reformiert werden, um fossile und erneuerbare Kraftstoffe nicht gleich zu behandeln.

Aus diesen Gründen sollten Mitgliedsstaaten die RFNBO-Unterquote in der nationalen Umsetzung deutlich erhöhen. Eine Erhöhung der E-Fuel-Quote führt ferner nicht dazu, dass weniger E-Fuels in der Luft- und Schifffahrt zur Verfügung stehen. Im Gegenteil, eine schnellere Skalierung sowie mehr Nebenprodukte führen zu mehr Angebot und geringeren Kosten. Außerdem garantieren die ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime eine Lenkungswirkung in diese Sektoren.

Andere Länder, andere Ausgangssituationen

Die nationale Umsetzung der RED III bietet die Chance, das volle Potenzial erneuerbarer Kraftstoffe auszuschöpfen. Jeder europäische Mitgliedsstaat ist dazu verpflichtet, seine nationalen Energie- und Klimapläne zu aktualisieren. Die Auswertung der Pläne zeigt, dass verschiedene Mitgliedsstaaten die RED III-Vorgaben deutlich übertreffen wollen. So kündigte Finnland eine kombinierte Quote von 10 Prozent für fortschrittliche Biokraftstoffe und RFNBOs an. Das entspricht einer Nachfrage von mindestens 3,5 TWh.

Spanien übertrifft mit einer RFNBO-Quote von 3,6 Prozent die RED-T-Vorgaben deutlich und schafft damit eine Nachfrage von ca. 12 TWh. Deutschland und Italien ziehen mit Ankündigungen von 2,8 Prozent (18,7 TWh) und 2 Prozent (9,4 TWh) nach. Einige Mitgliedsstaaten sehen damit ein deutlich höheres Potenzial bei Wasserstoff und E-Fuels. Die Ankündigungen von Deutschland, Spanien und Italien übertreffen die gesamte Nachfrage der RED-Unterquote und reizen allein fast 40 TWh Wasserstoffnachfrage an. Das sind gerade mal 16 Prozent der Wasserstoffnachfrage, die die EU in RePowerEU bis 2030 gefordert hat.

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