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Digitalisierung & KI

Standpunkte Bekennt Euch zum Wettbewerb!

Frederic Ufer, Geschäftsführer des VATM
Frederic Ufer, Geschäftsführer des VATM Foto: VATM

Der Doppelausbau wird zum Lackmustest für die wettbewerbliche Orientierung der Bundesregierung beim Glasfaserausbau. Die Argumente sind ausgetauscht, die Fakten bekannt. Nun muss gehandelt werden, ansonsten droht die zukunftsfähige digitale Infrastruktur in Deutschland Schaden zu nehmen, fordert Frederic Ufer vom VATM.

von Frederic Ufer

veröffentlicht am 11.03.2024

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Die Dynamik im deutschen Glasfaserausbau ist weiterhin enorm. Die jüngsten Zahlen der VATM-Marktanalyse belegen hohe Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich und eine Steigerung der aktivierten FTTH-Tarife (sogenannte „homes activated“) um 800.000 im Jahresvergleich 2022 zu 2023, wobei ein Großteil der neuen Kunden von den Wettbewerbern der Deutschen Telekom gewonnen werden konnte. Der durch den enormen Rückstand beim Ausbau mit digitaler Infrastruktur entstandene Investitionswettbewerb hat Deutschland bunter gemacht: Viele etablierte und neue Anbieter – und die Finanzkraft großer Kapitalgeber – haben das Potenzial des hiesigen TK-Marktes erkannt.

Beste Voraussetzungen für einen engagierten Wettbewerb in Deutschland und Grund für Optimismus in der Aufholjagd nach einer digitalen Führungsposition? Nein, denn die ausbauenden Unternehmen sehen sich Herausforderungen gegenüber, von den einige zu bewältigen und andere für die Unternehmen existenzgefährdend sein können. Die Branche steht vor einer Problemlage, bei der die Bundesregierung ihren Teil zur Lösung schuldig bleibt und die Geduld der Branche aufgebraucht ist.

Bei der Analyse der Probleme muss differenziert vorgegangen werden, denn nicht alles, was dieser Tage die Stimmung trübt, ist gleichermaßen bedrohlich.

Zum einen sind da die Kapitalkosten in Form steigender Zinsen mit einer Verdreifachung in den letzten zwei Jahren. Eine Entwicklung, die von den Unternehmen über die Justierung der Geschäftspläne pariert werden kann, zumal die auf Langfristigkeit ausgerichteten Investoren in Infrastruktur durchaus mit realistischen Gewinnmargen kalkulieren.

Unternehmen warten noch auf Lösungen vom Bund

Zum anderen die sich seit geraumer Zeit verteuernden Baukosten mit einem Anstieg um 40 Prozent in den vergangenen drei Jahren. Auch dies ist eine Belastung für die Expansionsstrategien der Anbieter. Gegenmittel sind unter anderem eine forcierte Verwaltungsdigitalisierung zur Beschleunigung der Verfahren, ein effektiv nutzbarer Zugang zum Leerrohrnetz der Telekom oder der vermehrte Einsatz von alternativen Verlegetechnologien wie unter anderem Pflug, Trenching und Erdrakete.

Trotzdem bauen die Unternehmen weiterhin am Limit, gebunden durch die knappe Ressource Fachkräfte, was einer der Gründe für die Kostensteigerungen ist. Ein weiterer Grund hierfür liegt in der dysfunktionalen Förderkulisse des Bundes, die nicht zu verbauende Milliarden in den Markt pumpt und den Tiefbau weiter verteuert.

Verbleibt noch als weitere Herausforderung die eher moderate Vermarktungsquote bei den gebauten Anschlüssen, wobei die von den Wettbewerbern ausgewiesenen 35 Prozent („Take-Up-Rate“) immer noch mehr als doppelt so hoch sind wie die Quote der Telekom (13,9 Prozent). Zukünftig wird von Seiten der Branche eine deutlich stärkere Fokussierung auf „homes activated“ erfolgen, denn nur hier folgen den Ausbaukosten die Zahlungsströme der aktiven Kunden. Teil, der insbesondere für die Politik bitteren Wahrheit ist daher auch, dass bei knapp 46 Millionen Anschlüssen in Deutschland die Nutzungsquote unter zehn Prozent liegt. Doch die Gewissheit, dass an Glasfaser kein Weg vorbeiführt, trägt die Geschäftspläne.

Der Doppelausbau hat Strategie

Kommen wir zu der Herausforderung, die tatsächlich wie ein Damoklesschwert über der Branche und auch den Zielen der Bundesregierung hängt. Zuvorderst der anhaltende strategische Überbau von Wettbewerbern durch die Telekom. Konkret geht es um die Errichtung eines zweiten Glasfasernetzes als Reflex auf ein Ausbauprojekt der Wettbewerber, ohne dass dies unter den Begriff Infrastrukturwettbewerb fallen darf.

Strategisch ist dieses Vorgehen der Telekom deshalb, weil der punktuelle Ausbau der lukrativen Ortsbereiche die Mischkalkulation einer flächendeckenden Erschließung des Erstausbauers leicht zerstört und primär das Signal ausgesendet werden soll, dass mit einer solchen Reaktion der Telekom die Investitionen hinfällig werden können.

Da die Telekom aufgrund der erforderlichen Investitionen in den USA (dort hat sie in den Jahren 2020-2022 etwa 3,6-mal mehr investiert als in Deutschland: 45 Milliarden gegenüber dreizehn Milliarden) und ausweislich ihrer enormen Verschuldung nicht in der Lage ist, genügend Kapital zu mobilisieren, um den bundesweiten Ausbauprojekten der Wettbewerber entgegenzutreten, ist sie gezwungen, auf diese Strategie der Abschreckung zu wechseln. Deswegen ist der Kern der Strategie nicht der physische Überbau, sondern der Übervertrieb durch die Telekom. Die bloße Ankündigung des Überbaus mit aggressivem Marketing führt zur Verunsicherung der potenziellen Kunden, Unternehmen und Kommunen. In Kombination mit der konsequenten Verweigerung von Wholebuy auf den Netzen der Wettbewerber ist die Stoßrichtung klar erkennbar.

Ohne Planungssicherheit keine Lust auf Investitionen

Endlose Debatten wurden zum Überbau geführt, mehrere Gutachten namhafter Wissenschaftler und Branchenexperten liegen vor, eine Monitoring-Stelle mit hunderten Meldungen wurde von der Bundesnetzagentur installiert und eine Auswertung vor Wochen fertiggestellt – der Sachverhalt ist ausermittelt und trotzdem bleibt die Bundesregierung dem Markt ein starkes Signal zugunsten mehr Planungs- und Investitionssicherheit schuldig.

Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Ist es der immer noch hohe Anteil von 30,5 Prozent des Bundes an den Aktien der Telekom, der wie eine schützende Hand über dem Konzern liegt und dessen hohe Marktanteile absichern will? Immer noch liegen 70 Prozent der 37 Millionen Breitbandanschlüsse in Deutschland im Eigentum der Telekom.

Welcher Grund es auch sein mag. Dass Investoren in Deutschland nicht die erforderliche Planungssicherheit erwarten können, ist in einer Hochinvestitionsphase ein fatales Signal für das global zirkulierende Kapital. Denn ohne den Kapitalmarkt lässt sich kein Infrastrukturgeschäft betreiben und Deutschland nicht versorgen. Auch die Telekom wurde erst nach langer Suche in Australien fündig und hat mit IFM ihr Joint Venture Glasfaser Plus auf den Weg gebracht. Was also fehlt?

Die Vorschläge liegen auf dem Tisch

Der Verweis auf das Prüfungsprogramm bestehender oder gegebenenfalls kommender Normen im TKG trägt nicht. Ein juristisches Scharmützel wird in der vorliegenden Gemengelage viel Aufwand und wenig Ertrag bringen. Die Diskussion um die richtige Aufgreifschwelle (100 oder 1.000 Fälle) für ein förmliches Verfahren führt absehbar in das Nirwana der Instanzen. Die TK-Verbände Breko und VATM haben gemeinsam pragmatische Vorschläge unterbreitet. Zuvorderst die Installation einer vertraulichen Ausbauliste nach dem Vorbild des bereits bestehenden Telekom Joint Ventures Glasfaser Nordwest. Damit wäre einschätzbar, ob der Ausbau als Abwehrreflex erfolgt oder die Telekom eigeninitiativ plant.

Aber wie wäre es mit einer klaren Ansage, dass volkswirtschaftlicher Unsinn von der Politik nicht geduldet wird und man klare Worte zum Vorgehen der Telekom findet? Fehlen hierfür der ordnungspolitische Kompass und ein klar wettbewerbsorientiertes Leitbild in der Politik? Die richtige, aber andererseits auch einseitige Fokussierung auf das Ausbauziel 2030 zeigt, dass Wettbewerb als tragendes Motiv aus dem Bewusstsein in Berlin verdrängt wurde.

Der Glasfaserausbau in Deutschland wird von Profis ihres Fachs getrieben – und nur wegen diesen ist die Telekom gezwungenermaßen in das Rennen mit eingestiegen. Deutschland braucht also den fairen Wettbewerb und eine Politik, die sich hierzu bekennt, klar die Regeln hierfür formuliert und bei Foulspiel verlässlich durchgreift. Denn wenn der Wettbewerb verliert und im schlimmsten Fall sich Investoren für einen Rückzug entscheiden müssten, verlieren am Ende alle. Das Ausbautempo würde gedrosselt, die Ziele könnten nicht erreicht werden und der Förderbedarf würde um ein Vielfaches steigen. Kann das das Ziel sein?

Frederic Ufer ist Geschäftsführer beim Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). 

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