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Digitalisierung & KI

Standpunkte Glasfaser-Doppelausbau: Kein Grund für Regulierung

Justus Haucap, Direktor am Düsseldorfer Institute for Competition Economics
Justus Haucap, Direktor am Düsseldorfer Institute for Competition Economics Foto: Susanne Schmidt-Dominé

Seit Monaten ist der Doppelausbau von Glasfaser ein beherrschendes Thema, wenn es um digitale Infrastruktur geht. Laut einer Studie des WIK, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, kann der Doppelausbau schädlich für den Glasfaserausbau in Deutschland sein. Doch die herangezogenen Modelle eignen sich gar nicht für die Berechnung, schreibt Justus Haucap, ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission.

von Justus Haucap

veröffentlicht am 27.10.2023

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Hochleistungsfähige Kommunikationsinfrastrukturen sind für die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft von größter Bedeutung. Zurecht hat die Bundesregierung daher im Koalitionsvertrag die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser als ein klares Ziel formuliert. Ging der Glasfaserausbau in der Vergangenheit vielen zu zögerlich voran, hat der Ausbau inzwischen erheblich an Tempo gewonnen. Gab es etwa 2017 nur rund 2,9 Millionen Glasfaseranschlüsse in Deutschland, waren es im Jahr 2022 schon mehr als zwölf Millionen, eine Steigerung von mehr als 300 Prozent.

Dieser Erfolg resultiert maßgeblich aus dem Infrastrukturwettbewerb auf dem stark fragmentierten deutschen Glasfasermarkt. Einerseits sind dort viele kleine und mittelständische Unternehmen tätig, die oft regional agieren und mit ortsansässigen Stadtwerken kooperieren. Auf der anderen Seite stehen große bundesweit tätige Unternehmen wie etwa die Deutsche Telekom, Vodafone oder die Deutsche Glasfaser.

Gibt es zu viel Wettbewerb?

Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr widmet sich trotz dieser Erfolge der Frage, ob es im Zusammenhang mit dem Doppelausbau von Infrastruktur inzwischen nicht sogar zu viel Wettbewerb gibt. Zunächst konstatiert die Studie gleichwohl, dass gerade der Investitionswettbewerb das Tempo des eigenwirtschaftlichen Ausbaus von Glasfaser beschleunigt. Zu einem nahezu identischen Befund kam schon die Monopolkommission vor zwei Jahren. Ähnlich wie bei einem Windhundrennen versuchen die Unternehmen Ausbaugebiete schnell zu erschließen und Kunden zu gewinnen. Infrastrukturwettbewerb ist somit ein wesentlicher Treiber für den Glasfaserausbau.

Angesichts dieser positiven Dynamik überrascht es, dass nun Stimmen zu vernehmen sind, die Einschränkungen dieses infrastrukturbasierten Wettbewerbs fordern. Für diese Forderung werden im Wesentlichen zwei Argumente vorgetragen: Zum einen sei Infrastrukturwettbewerb zumindest teilweise aus volkswirtschaftlicher Sicht ineffizient und erschwere die Amortisation von Investitionen, zum anderen könnten marktbeherrschende Anbieter durch den Ausbau von Infrastrukturen den Markt abschotten und so Wettbewerb verhindern. In Teilen scheinen die Überlegungen sogar so weit zu gehen, Deutschland wie in einer Planwirtschaft in geographische Bereiche aufzuteilen, in denen Wettbewerb möglich und damit erlaubt ist und andere Gegenden, in denen Wettbewerb nicht für möglich gehalten wird und er daher – falls er sich wider Erwarten doch einstellt – unterbunden werden soll. Was ist davon zu halten?

Natürlich ist es richtig, dass Wettbewerb – im Vergleich zu Monopolen – die Amortisation von Investitionen erschweren kann, etwa weil Wettbewerb regelmäßig zu geringeren Preisen und Erlösen führt. Allerdings ist das volkswirtschaftlich wünschenswert: Es ist gerade die Aufgabe des Wettbewerbs, preissenkend zu wirken. Der Schutz von Unternehmensgewinnen ist dagegen keine Aufgabe des Wettbewerbs, denn letztlich müssen die Kunden diese ja zahlen. Zudem forciert Wettbewerb regelmäßig Investitionen und Innovationen im Kampf um Marktanteile. Das verhindert Stillstand und ist gut für die Verbraucher.

Keine Marktbeherrschung auf dem Glasfasermarkt

Gleichwohl ist es ökonomisch-theoretisch möglich, dass Investitionen durch marktbeherrschende Unternehmen – ganz allgemein gesprochen – auch zum Zwecke einer Marktabschottung getätigt werden. Allerdings ist dafür zum einen eine Marktbeherrschung des Investors notwendige Voraussetzung. Eine solche Marktbeherrschung ist auf dem Glasfasermarkt allerdings angesichts der Anbietervielfalt nicht erkennbar. Des Weiteren sind solch hypothetische Fälle kein Grund für Regulierungseingriffe oder im Extremfall eine planwirtschaftliche Aufteilung der Bundesrepublik. Regulierung ist nur dann geboten, wenn Wettbewerbsprobleme flächendeckend und dauerhaft auftreten. Beides ist beim Aufbau von Glasfaserinfrastrukturen nicht gegeben. Vielmehr sind das Kartellrecht und das bestehende Telekommunikationsrecht durchaus geeignet, etwaige Wettbewerbsprobleme im Markt zu adressieren.

In der oben erwähnten Studie hat das WIK die Profitabilität des Glasfaserausbaus in Deutschland in verschiedenen Regionen im Rahmen eines Modells und unter bestimmten Annahmen geschätzt. Es zeigt sich, dass die Profitabilität von Region zu Region recht unterschiedlich sein wird. Beim heutigen Stand der Technik wird es sich nicht in allen Regionen Deutschlands für mehr als einen Anbieter lohnen, in der Region aktiv zu sein. Allerdings sind die Modelle mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet, etwa was die Entwicklung der zukünftigen Nachfrage, die Renditeanforderungen der Unternehmen und technologische Entwicklungen betrifft.

Modelle eignen sich nicht für Bestimmung im Vorfeld

Die Modelle wurden zum Zwecke der Preisregulierung für solche Dienste entwickelt, bei denen Monopole bereits bestehen. Die Modelle dienen jedoch nicht dazu, schon im Vorhinein zu bestimmen, in welchem Gebiet potenziell auf natürliche Weise ein Monopol entsteht, weil es sich für einen zweiten Anbieter nicht lohnt, dort ebenfalls aktiv zu werden. Sie dienen folglich nicht dazu, Investitionen von Unternehmen zu lenken oder gar Wettbewerb zu unterbinden, wo er möglich ist. Dies hätte faktisch die Folge, dass man keine natürlichen Monopole identifizieren würde, sondern „künstliche“ Monopole schafft.

Gerade weil Kostenmodelle so anfällig in Bezug auf ihre Annahmen sind, wäre eine Investitionslenkung fatal, insbesondere wenn dadurch Investitionen, die einzelne Unternehmen als rentabel erachten und zu finanzieren bereit sind, unterbunden werden sollten. Die Frage, ob und in welchen Regionen es sich bei der Glasfasertechnologie um ein natürliches Monopol handeln mag, kann letztlich nur durch die Empirie und somit die Realität der Märkte beantwortet werden, nicht aber durch theoretische „ex-ante-Kostenmodelle.“

Justus Haucap ist Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und war von 2006 bis 2014 Mitglied der Monopolkommission. Zudem ist er Partner bei der von ihm mitgegründeten Beratungsgesellschaft Düsseldorf Competition Economics, die im Auftrag der Deutschen Telekom auch eine Studie zur Bedeutung des Infrastrukturwettbewerbs in der Telekommunikationswirtschaft erstellt hat.

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