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Standpunkte BNetzA überschreitet Grenze des Beihilferechts

Stefan Korte (links) und Mario Martini sind Lehrstuhlinhaber an der DUV Speyer.
Stefan Korte (links) und Mario Martini sind Lehrstuhlinhaber an der DUV Speyer.

Noch in diesem Frühjahr will die Bundesnetzagentur entscheiden, wie sie bald wichtige Frequenzen vergibt. Doch der aktuelle Vorschlag der Bonner Behörde verstößt gegen das unionsrechtliche Beihilferecht, argumentieren Stefan Korte und Mario Martini von der DUV Speyer.

von Stefan Korte & Mario Martini

veröffentlicht am 13.03.2024

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Die Mobilfunkbranche blickt derzeit gespannt nach Bonn. Dort wird die Bundesnetzagentur alsbald über das weitere Schicksal wichtiger Mobilfunkfrequenzen entscheiden. Betroffen sind die Bereiche 800 Megahertz (MHz), 1800 MHz und 2600 MHz. Diese sind für flächendeckende leistungsfähige Breitbandverbindungen essenziell. Die Nutzungsrechte an den Frequenzen hatte das Anbieter-Trio aus Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica ersteigert. Die Laufzeiten neigen sich nun dem Ende entgegen. Wie es ab 2026 weitergeht, ist derzeit unklar. Noch in diesem Jahr muss die Regulierungsbehörde eine Entscheidung treffen.

Eine Tendenz zeichnet sich aber bereits ab: Die Bundesnetzagentur möchte die Nutzungsrechte der drei etablierten Netzbetreiber verlängern. Sie fasst dabei einen Zeitraum von fünf Jahren ins Auge. Es soll sich um einen bewussten „Zwischenschritt“ handeln, um Zeit zu gewinnen. Das soll es ermöglichen, die Frequenzen im Anschluss gebündelt neu zu vergeben. So weit, so nachvollziehbar.

Doch die geplante „Verlängerungslösung“ entpuppt sich wettbewerbsrechtlich als schwieriger Drahtseilakt. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) sieht eine Verlängerung als regulatorisches Instrument zwar ausdrücklich vor. Aber sie birgt zugleich auch eine Gefahr: Sie schottet den Markt gegen Neueinsteiger ab. Das gefährdet nicht nur deren verfassungsrechtlich abgesicherte Teilhabechancen, sondern mittelbar auch die Marktposition der Diensteanbieter. Es vermittelt gleichzeitig auch den Platzhirschen auf dem Mobilfunkmarkt einen geldwerten Vorteil gegenüber allen anderen Marktteilnehmern – wie Diensteanbietern und regionalen Glasfaserunternehmen –, dem keine marktgerechte Gegenleistung gegenübersteht. Daraus kann eine wettbewerbliche Schieflage erwachsen.

Paragraph 105 TKG als mögliches Zünglein an der Waage

Der Gesetzgeber hat die Problematik im Grundsatz durchaus erkannt: Er gestattet der Bundesnetzagentur bei einer Verlängerung, auf der Grundlage des Paragraphen 105 TKG (außerhalb der strengen Regeln der Marktregulierung) „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen, um einen wirksamen Wettbewerb zu fördern, zu erhalten und Wettbewerbsverfälschungen im Binnenmarkt zu vermeiden.

Ob die Bundesnetzagentur wettbewerbsfördernde Maßnahmen trifft, stellt das TKG grundsätzlich in deren Ermessen. So sehr sie prinzipiell über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügt, so sehr kann sich dieser jedoch ausnahmsweise auch auf Null reduzieren. Ein Grund dafür kann nicht nur die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit der Wettbewerber sein. Auch das unionsrechtliche Beihilfenverbot kann den Entscheidungsspielraum verengen: Es verbietet grundsätzlich staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte wettbewerbsrelevante Beihilfen gleich welcher Art, die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen. Selbst wenn eine staatliche Begünstigung noch so wichtige Gemeinwohlziele verfolgt, ändert das am Beihilfencharakter nichts. Das Beihilfenrecht operiert vielmehr strikt wirkungsbezogen.

Europäisches Beihilfenverbot markiert Grenze des behördlichen Handlungsspielraums

Wenn die Bundesnetzagentur den etablierten Netzbetreibern die Frequenznutzungsrechte auch über das Jahr 2025 hinaus einräumt, privilegiert sie diese. Für die Zuschlagspreise, die die Frequenzinhaber seinerzeit als Gegenleistung erbracht haben, erhalten sie nämlich nun im Nachhinein ein wesentlich längeres Nutzungsrecht als seinerzeit vereinbart.

Es fließen zwar keine direkten staatlichen Geldzahlungen. Das ist aber auch nicht erforderlich, um das Beihilfenregime zu aktivieren. Der Verzicht auf staatliche Einnahmen genügt. Mit der Frequenzverlängerung lässt sich der Staat immerhin mögliche Erlöse entgehen, die sich in einem wettbewerblichen Verfahren erzielen ließen.

Nicht für jeden seiner Rechtsakte muss der Staat aber Geldzahlungen vereinnahmen. Ihm steht es beispielsweise frei, statt einer Versteigerung ein Ausschreibungsverfahren zu wählen, um interessierten Marktteilnehmern knappe Frequenzen zuzuteilen. Gestaltet er das Ausschreibungsverfahren kostenfrei aus, gewährt er keine Beihilfe. Er verzichtet insbesondere nicht auf Einnahmen, die er sonst erheben würde. Denn der Mitgliedstaat muss die Wahlentscheidung zwischen beiden Verfahren nicht von Einnahmeerzielungsmöglichkeiten abhängig machen. Diese Ausgestaltungsfreiheit gesteht das Unionsrecht dem mitgliedstaatlichen Fachrecht vielmehr zu.

Wenn der Mitgliedstaat bereits zugeteilte knappe Frequenzen ohne Gegenleistung verlängert, unterscheidet sich das jedoch in einem wesentlichen Punkt von der Wahlentscheidung zwischen Ausschreibung und Versteigerung: In einem wettbewerblichen Zuteilungsverfahren hat nämlich jeder Interessent nach gleichen Regeln die gleiche Chance, an die knappe Ressourcen „Frequenz“ zu gelangen, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern. Eine Verlängerung schließt den Marktzugang Dritter demgegenüber von vorneherein aus: Der wirtschaftliche Vorteil fließt nicht ausnahmslos jedem Marktteilnehmer zu, sondern nur den Frequenzinhabern, die erfolgreich eine Frequenz ersteigert hatten. Die Verlängerung schafft damit asymmetrische Marktzutrittsbedingungen, die andere Markteilnehmer unmittelbar oder mittelbar begünstigen und so den Wettbewerb auf Vorleistungs- wie Endkundenebene verzerren.

Sowohl im Falle der Versteigerung als auch im Ausschreibungsverfahren hätten die Bewerber einen „Zuschlagspreis“ zu zahlen. Bei einer Verlängerung blieben die Frequenzinhaber nach dem gegenwärtigen Stand der Bonner Pläne demgegenüber von einer Zahlungspflicht verschont. Sie profitierten damit exklusiv von einer budgetrelevanten diskriminierenden staatlichen Maßnahme, so dass das Beihilfenverbot greift und dem mitgliedstaatlichen Handlungsradius Grenzen setzt.

Welche Maßnahmen muss die Bundesnetzagentur ergreifen?

Um den in der Verlängerung liegenden Sondervorteil der Frequenzinhaber auszugleichen und so eine verbotene Beihilfe zu vermeiden, kommt eine breite Palette von Maßnahmen in Betracht. Denkbar sind insbesondere Vorgaben für den Zugang der Diensteanbieter zum Mobilfunknetz, insbesondere regulatorische Rahmenbedingungen für die Zugangsentgelte. Auf diese Weise erlangen die konkurrierenden Markteilnehmer dann einen gesicherten Zugang zum Mobilfunknetz, ohne selbst Frequenzinhaber zu sein.

Solche Zugangsverpflichtungen erzielen im Falle knapper Frequenzen einen ordnungspolitisch sachgerechten Vorteilsausgleich, der den rechtlich gebotenen Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern sicherstellt. Um Wirksamkeit zu entfalten, sollten sich die Vorgaben für den Zugangspreis an den Kosten effizienter Leistungserbringung orientieren und eine Offenlegung der Kostenstrukturen fordern. Im Parallelfall staatlicher Breitbandförderungsbeihilfen erhebt die EU-Kommission einen privilegierten Netzzugang explizit zur Voraussetzung für die Rechtfertigung der staatlichen Beihilfe.

Höhere Netzausbauverpflichtungen oder eine angepasste Gebührenordnung für die Frequenzinhaber als Alternative zum Netzzugang könnten das ordnungspolitisch wünschenswerte Ausgleichsziel demgegenüber schon ihrem Wesen nach nicht erreichen. Denn sie ändern nichts daran, dass die Wettbewerber vom Zugang zur knappen Ressource Frequenz kategorisch ausgeschlossen bleiben. Ob Netzausbauverpflichtungen tatsächlich in ihrer Höhe den finanziellen und wettbewerblichen Vorteil ausgleichen, der sich mit der Frequenzverlängerung verbindet, ließe sich überdies kaum in unionsrechtlich wasserdichter Weise ermitteln.

Der Bundesnetzagentur muss ein Spagat gelingen

Befragt nach den regulatorischen Plänen für die auslaufenden Mobilfunkfrequenzen bekundete der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller bereits im Jahr 2022: „Wir wollen den Spagat zwischen Wettbewerb und Versorgung schaffen.“ Damit diese akrobatische Grätsche gelingt, muss die Bundesnetzagentur aber auch die Interessen der Wettbewerber hinreichend berücksichtigen. Bislang sieht es eher nach einer Adduktorenverletzung aus.

Die Autoren haben in dem anstehenden Frequenzzuteilungsverfahren für Freenet ein Kurzgutachten verfasst. Mario Martini hat seit 2010 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaft den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft, Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Europarecht. Außerdem ist er Leiter des Programmbereichs „Transformation des Staates in Zeiten der Digitalisierung“ am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung. Stefan Korte hat seit 2023 den Lehrstuhl für Öffentliches
Recht, insbesondere Öffentliches Wirtschafts- und Klimaschutzrecht an der DUV Speyer.

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