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Digitalisierung & KI

Standpunkte Breitbandausbau auf dem Land: Hemmnisse beseitigen

Oliver Rottmann, Geschäftsführender Vorstand, KOWID e.V.; Corinna Hilbig, Geschäftsführende Gesellschafterin, PSPC GmbH
Oliver Rottmann, Geschäftsführender Vorstand, KOWID e.V.; Corinna Hilbig, Geschäftsführende Gesellschafterin, PSPC GmbH Foto: Promo

1,1 Milliarden Euro will die Bundesregierung in die Hand nehmen, um weiße Flecken auf der deutschen Mobilfunklandkarte zu beseitigen. Doch neben Geld sollte die öffentliche Hand vor allem für mehr Know-how sorgen, schreiben Oliver Rottmann und Corinna Hilbig in ihrem Standpunkt.

von Oliver Rottmann und Corinna Hilbig

veröffentlicht am 03.12.2019

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Die „Gigabit-Gesellschaft“ – eine Gesellschaft, die vollständig von Informations- und Kommunikationstechnik durchdrungen ist – bildet ein wesentliches Ziel von EU-Kommission und Bundesregierung für das Jahr 2025. Dafür ist allerdings ein leistungsfähiges Datennetz notwendig, das auch den ländlichen Raum integriert. Nur so kann in Zukunft Attraktivität im Standortwettbewerb um Bürger und Unternehmen geschaffen werden. In Deutschland herrscht allerdings derzeit noch ein Flickenteppich mit zahlreichen „weißen Flecken“. Nun hat die Bundesregierung auf ihrer Klausurtagung auf Schloss Meseberg ein 1,1 Milliarden Euro umfassendes Paket beschlossen, um jene „weiße Flecken“ zu beseitigen und zumindest 4G-Netz-Empfang herzustellen. Baustellen im Breitbandausbau in Deutschland gibt es indes einige: langwierige Genehmigungsverfahren, eine komplizierte Förderkulisse, regulatorische Herausforderungen (Doppelausbau) und Personalengpässe in den Kommunen.

Derzeit ist die Breitbandversorgung in zahlreichen Regionen des Landes im europäischen Vergleich nur unteres Mittelmaß. Der Glasfaserausbau geht nur schleppend voran. Die zukünftig notwendigen „fiber to the home/building“-Anschlüsse (FTTH/B) erreichen nur einstellige Prozentwerte. Die Bundesregierung hat im Zuge der Meseberg-Beschlüsse nochmals betont, wie wesentlich der Glasfaserausbau für den Ausbau eines 5G-Netztes ist.

Breitband gegen Landflucht

Im ländlichen Raum ist die Verfügbarkeit von Gigabit-fähigen Netzen weiterhin deutlich niedriger als im halbstädtischen oder städtischen Raum, obwohl die Bundesregierung umfangreiche Fördermittel bereitgestellt hat. Aber grade auf dem Land gewinnen hohe Bandbreiten zunehmend an Bedeutung, um auch hier Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen und die Abwanderung aufzuhalten.

Dabei sind neben den privaten Haushalten auch Gewerbegebiete vielerorts nicht ausreichend versorgt. Noch Mitte 2019 wurden zwischen 14 Prozent (Bremen, Hamburg) und 57 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt) der Gewerbegebiete des jeweiligen Landes als unterversorgt gemeldet. Für Unternehmer, die für ihre Betriebe eine langfristige Digitalisierungsstrategie entwickeln wollen und müssen, um im nationalen wie internationalen Wettbewerb mithalten zu können, ist der Glasfaseranschluss aber unabdingbare Voraussetzung.

Die Gründe für den verzögerten Ausbau waren in den letzten Jahren vielfältig: Die Komplexität der Beantragung der Fördermittel wurde im Zuge der Novellierung des Förderprogramms 2018 zwar erfolgreich gesenkt, allerdings bestehen aufgrund der Vielzahl parallel laufender Verfahren inzwischen Engpässe im Bereich der Tiefbauarbeiten und Materialbereitstellung. Der massive Preisanstieg in den letzten Monaten führt ebenso wie das weiterhin bestehende Phänomen der Trittbrettfahrer („Doppelausbau“) zu großen Unsicherheiten bei der wirtschaftlichen Planung der Netze.

Problem „Doppelausbau“

Beim sogenannten „Doppelausbau“ geht es darum, dass einige Telekommunikationsunternehmen ursprünglich keinen Breitbandausbau anstrebten, jedoch, als die Gemeinden mit Fördermitteln oder Eigenmitteln den Ausbau selbst in die Hand nahmen, wider Erwarten tätig wurden. Und zwar dann, als die Tiefbauarbeit begann. Dann verlegten sie ihr eigenes Kabel parallel, um so kostengünstig ein zweites Glasfasernetz aufzubauen Dies führte dazu, dass in Teilen Deutschlands mehrere Glasfasernetze parallel aufgebaut werden, während es in anderen Teilen kein einziges gibt. Hinzu kommt, dass dadurch die Kalkulation der Gemeinde obsolet wurde, da weniger Kunden akquiriert werden können. Dass derjenige verliert, der als erstes investiert, konterkariert das Ziel eines zügigen Breitbandausbaus und führt zu Marktverzerrungen. Dieses, bisher aus Sicht vieler kommunaler Anbieter, noch unzureichend sanktionierbare Verhalten verzögert den Ausbau und damit auch Fördermittelabfluss.

Know-how und Verlegetechnik

Die Bundesregierung hat in Meseberg neben der Ankündigung einer weiteren Förderung durch die KfW auch erklärt, zukünftig den Einsatz alternativer Verlege-Techniken vereinfachen zu wollen, die heute zum Teil aufgrund rechtlicher Restriktionen oder fehlender Erfahrungen keinen flächendeckenden Einsatz finden.

Der wirkungsvollste Ansatz zur Beschleunigung des Breitbandausbaus liegt aber auch weiterhin im Aufbau von Kompetenzen und Know-how auf Seiten der öffentlichen Hand. Nur dann lässt sich ein weiteres Auseinanderdriften von urbanen und ländlichen Räumen eindämmen.

Oliver Rottmann ist Geschäftsführender Vorstand des KOWID – Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. an der Universität Leipzig. Corinna Hilbig ist Geschäftsführende Gesellschafterin der PSPC Public Sector Project Consultants GmbH.

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