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Digitalisierung & KI

Standpunkte Bundes-IT 3.0: Vom Projekt zur festen Organisation

David Wichmann (l.)  und Christian Kuczera von Cassini
David Wichmann (l.) und Christian Kuczera von Cassini Foto: Cassini

Mit der Dienstekonsolidierung soll die Software der Bundesregierung vereinheitlicht werden. Um nach Abschluss des Mammutprojekts die Bedarfe der Ministerien weiter zentral zu bündeln, muss jetzt der Aufbau der Nachfragemanagementorganisation vorangetrieben werden, schreiben David Wichmann und Christian Kuczera.

von David Wichmann und Christian Kuczera

veröffentlicht am 29.07.2022

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Die Bundesverwaltung braucht moderne und nutzerzentrierte IT-Lösungen: Mit dem Programm Dienstekonsolidierung und der damit verbundenen Zielstellung von Konsolidierung und hoher Standardisierung hat die Bundesverwaltung ein wichtiges und richtiges Vorhaben auf den Weg gebracht.

Der Aufbau einer Nachfragemanagementorganisation (NMO) bietet nun die Chance, das IT-Management im Bund nach Abschluss des Programms dauerhaft auf neue und zukunftsfähige Beine zu stellen. Die wesentliche Dienstleistung der NMO wird darin bestehen, Bedarfe auf der gesamten Bundesverwaltung zu bündeln und an diesen Bedarfen ausgerichtete, moderne IT-Lösungen bereitzustellen. In den Dimensionen Strategie, Governance und Kultur können mit der NMO entscheidende Weichen für die Bundes-IT der Zukunft gestellt werden.

Was ist die Nachfragemanagementorganisation?

Die Neuorganisation der IT-Organisation der Bundesverwaltung blickt auf eine langjährige Historie zurück. Seit dem Kabinettsbeschluss zum Konzept „IT-Steuerung Bund“ aus dem Dezember 2007 wurden maßgebliche Weichen für die IT-Konsolidierung gestellt und in zahlreichen Konzepten verfestigt. Im Beschluss des IT-Rates vom 19. Januar 2017 wurde unter anderem der Aufbau der NMO vereinbart, die der „dauerhaften Koordinierung und Steuerung des Zusammenwirkens von IT-Nachfrage und IT-Angebot“ dienen soll. Die Ressorts und die ihnen nachgeordneten Bereiche stellen dabei die Nachfrageseite dar, die Angebotsseite der Verbund der IT-Dienstleister.

Das Ziel ist die Transition von einer Projektstruktur in eine Linienorganisation: Die NMO soll als dauerhafte Organisation die Nachfolge der Dienstekonsolidierung antreten. Daraus ergibt sich auch die zeitliche Planung zur Aufnahme der Aktivitäten durch die NMO: Da die Maßnahmenumsetzung der Dienstekonsolidierung bis Ende 2025 geplant ist, soll die NMO ab 2026 die IT des Bundes koordinieren. Der Übergang ist dabei fließend zu gestalten.

Erstes Handlungsfeld: Strategie

Mit der NMO könnte die Bundesverwaltung eine Herausforderung, mit der sie seit Jahren kämpft, endlich angehen: Zwar findet in der Verwaltung immer mehr projektbasiertes Arbeiten statt, aber die jährlichen Haushaltsplanungen zwängen die Projektarbeit in ein Korsett, das die für Projekte notwendige Flexibilität und Dynamik nicht abbilden kann. Deshalb sollte die Möglichkeit genutzt werden, um ein nachhaltiges Finanzierungsmodell für das IT-Management zu entwickeln, das der NMO globale und jahresübergreifende Budgetrahmen bereitstellt.

Innerhalb dieses Budgetrahmens wären durch die höhere Flexibilität auch agile Vorgehensweisen leichter umzusetzen. Auch die Erhöhung des Investitionsvolumens könnte hier ein wichtiger Schritt sein, um handlungsfähiger zu sein und Projekte mit Top-Priorität schneller und mit hoher Ergebnisqualität abzuschließen. Ein weiterer strategischer Hebel liegt in der Bündelung der aktuell über die Ressorts verteilten Kompetenzen in einer Managementorganisation. Hierfür bedarf es eines starken Mandats zur Herbeiführung von Entscheidungen innerhalb der NMO.

Zweites Handlungsfeld: Governance

Die Konzeption der NMO sieht vor, dass ein prozessorientiertes Organisationsmodell etabliert wird. Dies ermöglicht der NMO, Entscheidungsprozesse zur ressortübergreifenden Bedarfs- und Anforderungsbündelung neu zu gestalten. Auch künftige Konsolidierungsbedarfe können durch die NMO-Prozesse bewertet werden. Die Vereinheitlichung von Diensten setzt voraus, dass die Geschäftsprozesse einer vorherigen Optimierung unterzogen werden. Auch Prozesse jenseits der IT können dabei als Ausgangspunkt genutzt werden, um gelebte Prozesse zu hinterfragen. Hier kann die NMO als lernende Organisation mit agilen Elementen eine Vorreiterrolle in der öffentlichen Verwaltung einnehmen.

Drittes Handlungsfeld: Kultur

Als bedarfsorientiert arbeitende IT-Managementorganisation muss die NMO auch kulturelle Veränderungsakzente setzen und die ressortübergreifende Kompromissbereitschaft in den Fokus ihrer Aktivitäten rücken. Voraussetzung dafür ist die faktische Loslösung vom Ressortprinzip in Fragen der Weiterentwicklung von konsolidierten Diensten. Ein Verharren in Ressortgrenzen erzeugt nicht nur Reibungsverluste bei der ressortübergreifenden Bündelung, sondern erschwert darüber hinaus auch die bedarfsorientierte Ausrichtung der NMO. Auch im Bereich der Zusammenarbeit stellt die NMO die Chance dar, künftig stärker in interdisziplinären und nutzungszentrierten Teams mit Expert:innen zu arbeiten und den Kulturwandel der Verwaltung voranzutreiben.

Wie geht es weiter?

Die Umsetzung der Vorschläge für die Ausgestaltung der NMO ist kein Selbstläufer. Sie erfordert Investitionen und Mut zur Innovation. Das Programm Dienstekonsolidierung soll im Jahr 2025 abgeschlossen sein. Parallel muss der Aufbau der NMO vorangetrieben werden. Die Verantwortlichen stehen vor der Aufgabe, noch während sie den Abschluss ihrer Projekte herbeiführen, zeitgleich die Übergabe in die dauerhafte Struktur der NMO vorzubereiten und umzusetzen.

Einige Projekte betrifft dies bereits vor dem Jahr 2025. Deshalb ist der Handlungsbedarf groß. Die Leitplanken, die eine agile Realisierung der neuen Organisation ermöglichen, müssen jetzt gesetzt werden. Vor 2025 fertig werdende Projekte sind bereits mit Planungen für den Übergang in eine Linienorganisation befasst. Aus ihren Erfahrungen lässt sich lernen: Während Leitplanken zur agilen Realisierung der neuen Organisation vom Programmmanagement ausgehend gesetzt werden sollten, könnten Erkenntnisse und Vorgehensmodelle der einzelnen Projekte in die Konzeption eingebracht werden. Mit diesem Ansatz wäre es möglich, einen wertvollen Wissenstransfer „bottom-up“ zu institutionalisieren.

Ab dem Jahr 2026 wird die NMO in der vollen Verantwortung als zentrale Organisation für das Management von Anforderungen an die Bundes-IT stehen. Die Bundesverwaltung muss die Einrichtung der NMO mutig angehen und die Gelegenheit zur Schaffung einer modernen und auf die Nutzenden ausgerichteten Organisation ergreifen. Dabei kann sie von dem Wissen und den Erfahrungen auf Projektebene aus praktischer Perspektive profitieren. Diese Chance sollte genutzt werden.

David Wichmann ist Business Lead bei Cassini Consulting. Sein Schwerpunkt liegt auf der Beratung der Bundesverwaltung bei strategisch-organisatorischen Themen und der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Christian Kuczera ist Senior Management Consultant bei Cassini Consulting. Seine Schwerpunkte sind Geschäftsprozessmanagement und integrierte Fachverfahrenslandschaften. Die Autoren beraten unter anderem auch das Bundesinnenministerium zur Dienstekonsolidierung. 

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