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Digitalisierung & KI

Standpunkte Digitale Verwaltung gelingt nur gemeinsam!

Patrick Burghardt, Staatssekretär für Digitale Strategie und CIO des Landes Hessen
Patrick Burghardt, Staatssekretär für Digitale Strategie und CIO des Landes Hessen Foto: Salome Roessler

Der scheidende CIO Hessens und künftige Oberbürger von Rüsselsheim, Patrick Burghardt, blickt auf seine Arbeit für die Verwaltungsdigitalisierung zurück und stellt dar, welche Faktoren aus seiner Sicht erfolgsentscheidend sind.

von Patrick Burghardt

veröffentlicht am 15.12.2023

aktualisiert am 18.12.2023

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„Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist kein Sprint, sondern ein Marathon“ – so oder so ähnlich habe ich das in den letzten fünf Jahren sehr oft gehört. Als Verantwortlicher für die Verwaltungsdigitalisierung in Hessen und diesjähriger Vorsitzender des IT-Planungsrats, dem dafür zentralen Bund-Länder-Gremium, habe ich an vielen Stellen gemerkt, dass es in diesem Aufgabenbereich durchaus Ausdauer braucht. Der Vergleich mit einem Marathon hinkt aber an einer zentralen Stelle: Bei einem Marathon läuft jeder für sich und am Ende gewinnt der Schnellste. Bei der Verwaltungsdigitalisierung gilt das genaue Gegenteil: Es ist ein Teamsport, man kann nur gemeinsam gewinnen.

Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine komplexe und umfassende Aufgabe, bei der wir uns in einem angespannten Umfeld bewegen. Der Erwartungsdruck von allen Seiten ist groß, der Fachkräftemangel, vor allem im IT-Bereich, betrifft den öffentlichen Dienst in besonderer Weise und die öffentlichen Haushalte sind aufgrund der anhaltenden Krisen stark belastet. Ziel darf daher nicht nur sein, dass bürgerfreundliche, digitale Services angeboten werden. Hier lag in den letzten Jahren durch das Onlinezugangsgesetz der wesentliche Fokus. Vielmehr müssen digitale Technologien und Prozesse stärker auf Effizienzgewinne und die Reduzierung von Arbeitsaufwand und Personalkosten ausgerichtet sein, damit der Staat weiter leistungsfähig bleibt.

Drei zentrale Erfolgsfaktoren

Die zentralen Erfolgsfaktoren dafür sind Standardisierung, Arbeitsteilung und der Einsatz moderner Technologien wie Cloud und Künstliche Intelligenz – und das alles gelingt nur, wenn Bund, Länder und Kommunen eng zusammenarbeiten.

Eine stärkere Standardisierung ist für eine funktionierende und effiziente öffentliche IT essenziell. Dies spart einerseits Entwicklungs-, Anpassungs- und Schnittstellenaufwand und gewährleistet andererseits Interoperabilität und offenen Wettbewerb. Mit bestehenden Standards wie X-ÖV sind die Grundlagen hierfür vorhanden, müssen aber ausgebaut werden. Der IT-Planungsrat und die Föderale IT-Kooperation (FITKO) sollten daher ihre Rolle im Bereich der Standardisierung noch stärker wahrnehmen. Dafür braucht es aber die Bereitschaft, sich auf gemeinsame Standards zu verständigen, sich an bestehende Standards zu halten und diese als Auftraggeber gegenüber den IT-Dienstleistern durchzusetzen – denn Standardisierung funktioniert nur gemeinsam. Idealerweise sollten zunehmend nicht nur standardisierte, sondern einheitliche Anwendungen zum Einsatz kommen, sodass Doppelentwicklungen vermieden und personelle und finanzielle Ressourcen effizient eingesetzt werden.

Wichtig für eine effiziente Digitalisierung im föderalen Kontext ist zudem eine sinnvolle und konsequente Arbeitsteilung. Da sowohl kompetente Fachkräfte als auch finanzielle Mittel knapp sind, ist es nicht nur aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geboten, dass das Rad nicht überall neu erfunden wird. Mit dem verteilten Vorgehen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und dem „Einer für Alle“-Prinzip wurden hierfür wichtige Grundlagen geschaffen. Diese erfolgreiche Arbeitsteilung gilt es auch bei der Volldigitalisierung weiterzuführen und auszubauen. Je komplexer und aufwändiger die Digitalisierungsvorhaben werden, desto mehr lohnt sich eine solche Arbeitsteilung.

Dies betrifft insbesondere auch den Einsatz moderner Technologien wie Cloud oder Künstliche Intelligenz. Die Effizienzpotenziale solcher Technologien liegen vor allem in der Skalierbarkeit für große Fallzahlen. Aufgrund der komplexen Entwicklungsaufwände und der Erforderlichkeit großer Datenmengen für qualitativ hochwertige Ergebnisse lohnt sich die Anwendung solcher Technologien nur, wenn sie von möglichst vielen öffentlichen Stellen gemeinsam genutzt werden. Gleichzeitig ist die Bündelung der Kräfte auch essenziell, um gegenüber den großen IT-Konzernen die Interessen der öffentlichen Verwaltung auf Feldern wie dem Datenschutz, IT-Sicherheit und digitale Souveränität wirksam durchsetzen zu können. Mit der Deutschen Verwaltungscloud-Strategie hat der IT-Planungsrat hierfür eine wichtige Grundlage geschaffen, die aktuell in die Umsetzung geht.

Die Prozesse beschleunigen

Da sich digitale Technologien schnell weiterentwickeln, braucht es in der föderalen Zusammenarbeit Offenheit und Flexibilität, um gemeinsam agil auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Dazu muss die Geschwindigkeit der politischen Entscheidungsprozesse und deren Umsetzung dringend an die Dynamik der Digitalisierung angepasst werden, dies gilt insbesondere auch für die viel zu starren Finanzierungsmodalitäten. Und dann braucht es den Mut der Verantwortlichen, schnell Entscheidungen zu treffen, auch wenn nicht alles bis ins Detail vorher durchgeplant werden kann. Risikobereitschaft und eine positive Fehlerkultur sind dabei essenziell.

Für all diese Aspekte braucht es vielfältige Kompetenzen, die in der öffentlichen Verwaltung stärker aufgebaut werden müssen – von kompetenten Anwendern über „Dolmetschern“ zwischen Verwaltung und IT bis zu IT-Spezialisten. Da der öffentliche Dienst im Wettbewerb um IT-Fachkräfte mit der Privatwirtschaft kaum mithalten kann, und eine zu starke Abhängigkeit von Externen vermieden werden sollte, müssen die Kompetenzen zunehmend bei den eigenen Beschäftigten aufgebaut werden. Auch hierbei lohnt sich Zusammenarbeit und die Bündelung von Ressourcen. Mit Projekten wie dem eGov-Campus oder dem Kommunal-Campus haben wir sinnvolle Ansätze geschaffen, die es in die Fläche zu bringen gilt.

Im hessischen Vorsitzjahr des IT-Planungsrats haben wir für das Gelingen der Verwaltungsdigitalisierung wichtige Weichen gestellt: Von der Ausrichtung an strategischen Schwerpunktthemen über die Flexibilisierung der Finanzierungsstrukturen und den Kommunalpakt bis zur gemeinsamen Finanzierung von „Einer für alle“-Leistungen werden die Maßnahmen zu einer noch engeren und effizienteren Zusammenarbeit beitragen. Alles im Sinne des neu formulierten Selbstverständnisses: „Der deutsche IT-Planungsrat. Gemeinsam wirksam.“

Im nächsten Jahr steht dann die Erarbeitung einer gemeinsamen föderalen Digitalstrategie für die Verwaltung an, mit der sich Bund und Länder einen übergreifenden strategischen Rahmen geben. Auch wenn ich dann nicht mehr aktiv beteiligt bin, bin ich sicher, dass die beschriebenen Erfolgsfaktoren Standardisierung, Arbeitsteilung und moderne Technologien sowie auch die Perspektive der Kommunen hier eine wesentliche Rolle spielen werden.

Besonders spannend ist es für mich, ab 1. Januar in meiner neuen (und alten) Funktion als Oberbürgermeister das vor Ort umsetzen zu können, was wir gemeinsam mit Bund und Ländern auf den Weg gebracht haben. Denn letztlich wird der Nutzen all unserer Digitalisierungsaktivitäten oft erst vor Ort in den Kommunen spürbar. Nur wenn das in der Fläche gelingt, gehen wir als Team gemeinsam über die Ziellinie.

Patrick Burghardt ist seit Januar 2019 Staatssekretär für Digitale Strategie und Entwicklung, Chief Information Officer (CIO) und Bevollmächtigter für E-Government und Informationstechnologie des Landes Hessen. Im Jahr 2023 war er zudem Vorsitzender des deutschen IT-Planungsrats. Zum 01.01.2024 kehrt er als Oberbürgermeister der Stadt Rüsselsheim am Main zurück auf die kommunale Ebene.

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