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Digitalisierung & KI

Standpunkte Fair Share: Alles andere als fair

Daniela Beaujean, Geschäftsführerin des Vaunet
Daniela Beaujean, Geschäftsführerin des Vaunet Foto: Markus Altmann

Fair Share klingt nur logisch: Die großen Tech-Firmen beanspruchen ein großes Datenvolumen und fahren satte Gewinne ein – warum sollen sie sich nicht auch an den Kosten der Telekommunikationsunternehmen beteiligen? Doch nicht jedes Paket mit schöner Schleife ist ein Geschenk, warnt Daniela Beaujean vom Verband Privater Medien. Denn Fair Share könnte die Medienvielfalt massiv einschränken.

von Daniela Beaujean, Geschäftsführerin des Vaunet

veröffentlicht am 01.02.2023

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Die europäischen Telekommunikationsunternehmen haben in Brüssel alten Wein in neuen Schläuchen angeboten – und offenbar hat die Europäische Kommission auch noch Geschmack daran gefunden. Genau zehn Jahre nach dem letzten großen Vorstoß zu „network fees“ im Vorfeld des World Congress on Innovation & Technology 2012, beklagen die Netzbetreiber heute, es fehle an Geld für den Breitbandausbau.

Dem tritt die Bundesregierung in ihrer Antwort von Ende November auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion entgegen. Sie gehe davon aus, dass für den Netzausbau in Deutschland hinreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. Dennoch bleiben die TK-Unternehmen dabei: Trotz umfangreicher Förderung einerseits und hohen Dividenden für die Aktionäre andererseits mangle es beim Ausbau nicht etwa an schnellen Genehmigungsverfahren oder günstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen. Nein, es fehle die finanzielle Grundlage. Die TK-Unternehmen haben diese Klage hübsch verpackt – oder sollte man bei „Fair Share“ von cleverem Framing sprechen? – und zum richtigen Zeitpunkt bei EU-Kommissar Thierry Breton präsentiert. Dieser hat ohnehin die amerikanischen Plattformen im Visier und beeilte sich demnach, seine Bereitschaft zur Unterstützung zu signalisieren (Tagesspiegel Background berichtete).

Wer könnte diesem Narrativ auch widerstehen? TK-Unternehmen investieren Milliarden in ihre Netze, gehen mit im wahrsten Sinne des Wortes „versunkenen Kosten“ in Vorleistung für die digitale Zukunft der Gesellschaft. Und dann gibt es große, marktmächtige, in der Regel nicht in Europa ansässige Big-Tech-Unternehmen, die auf Basis dieser Highspeed-Netze satte Gewinne einfahren. Nichts liegt scheinbar näher, als nach einer „fairen Beteiligung“ zu rufen.

Wer wird hier eigentlich zur Kasse gebeten? 

Doch wie so oft liegt der Teufel im Detail und allzu einfache Lösungen sind oft trügerisch. So ist es auch hier. Bis heute kennt niemand konkretere Details der Idee. Wer soll am Ende tatsächlich zahlen? Über wie viel Geld sprechen wir? Pro Mega-, Giga- oder Terrabyte? Soll es eine Abgabe, ein per Gesetz festgelegter Pauschalbetrag zahlbar an die TK-Unternehmen, sein? Oder nur eine allgemeine Ermächtigung, solche Zahlungen im Rahmen von Verhandlungen über den Datentransfer zu vereinbaren beziehungsweise zu verlangen?

Viele dieser Fragen werden bereits öffentlich debattiert. Bedenken hinsichtlich der Gewährleistung der Netzneutralität wurden angemeldet, Studien zu internetökonomischen Auswirkungen in Auftrag gegeben. Eines kommt dabei im schwierigen Bereich des Telekommunikationsrechts, der komplexen Querschnittsmaterie aus Recht, Ökonomie und Technik, allerdings zu kurz. Nämlich der Blick über den Tellerrand – was bedeutet ein solcher Ansatz mit volumenbasierten Zahlungen auf Anbieterseite für die Medienvielfalt und die Verbraucher:innen?

Medienunternehmen in der Zahlungspflicht

Auf der Hand liegt: Je nach Formulierung einer entsprechenden Regelung könnten auch Medienunternehmen einer Zahlungspflicht unterliegen. Sie nutzen das Internet für den Transport ihrer Inhalte, auch um durch vielfältige und qualitativ hochwertige, journalistisch-redaktionell erstellte Beiträge zum Gelingen der Demokratie beizutragen. Solche Zahlungen hätten unmittelbare Auswirkungen auf ihre Möglichkeiten zur Investition in Inhalte. Aber auch wenn große Plattformen zur Verbreitung dieser Inhalte genutzt werden, ist mit einem „Durchreichen“ dieser Mehrkosten an Medienunternehmen zu rechnen.

So fair wäre eine solche Beteiligung übrigens nicht. Einige Inhalteanbieter tragen bereits heute wesentlich zur Entlastung der Internetinfrastruktur bei. Mit ihren sogenannten Content-Delivery-Networks bringen sie ihre Server an zentrale Punkte im Netz, nah an den Nutzer:innen. Diese werden zu Zeiten geringer Netzauslastung bespielt. So werden wesentliche Teile der Telekommunikationsnetze bei der eigentlichen Ausspielung zu den Zuschauer:innen nicht mehr benötigt. Daneben stecken Inhalteanbieter erhebliche finanzielle Mittel in die Codec-Optimierung und verringern somit das anfallende Datenvolumen. Von sogenannten „free riders“, also Marktakteuren, die ausschließlich von der Leistung anderer profitieren, ohne diese angemessen zu entlohnen, kann bei Medienunternehmen also nicht die Rede sein.

Inhalte schaffen Kunden für TK-Unternehmen

Und ist das Verhältnis zwischen Inhalteanbietern und TK-Unternehmen nicht eigentlich ein ganz anderes? Verträge für besonders breitbandige Internetanschlüsse schließen im privaten Bereich besonders die Verbraucher:innen ab, die sicherstellen wollen, datenintensive Dienste wie etwa hochauflösende Serien, Filme und andere audiovisuelle Inhalte in bester Qualität sehen zu können. Somit werden schnelle Leitungen mit höheren monatlichen Kosten für Endnutzer:innen erst durch Medieninhalte interessant und werthaltig. Ohne solche Angebote stünden die TK-Netze heute sicherlich anders da.

Die möglichen Folgen von höheren Distributionskosten für audiovisuelle Inhalteanbieter, die am Datenvolumen berechnet werden, liegen auf der Hand. Die Inhalteanbieter könnten die zusätzlichen Kosten etwa an die abo- und beitragszahlenden Verbraucher:innen weitergeben. Im werbefinanzierten Rundfunk ist das nicht möglich. Dieser befindet sich aufgrund der zunehmenden Konkurrenz um Werbekunden aus dem Online-Bereich ohnehin in einer schwierigen Wettbewerbslage. Am Ende droht hier entweder eine geringere Übertragungsqualität oder aber im worst case die Einstellung einzelner Medienangebote. Beides ist übrigens in Südkorea in den vergangenen Jahren eingetreten, wo der fachlich korrekt als „sending party network pays“ bezeichnete Ansatz 2016 eingeführt wurde.

Wenn der Teufel also in den Details steckt, dann sollte man diese ganz genau betrachten, bevor etablierte ökonomische Konzepte verändert werden. In den nächsten Monaten und für den Fall, dass sich konkrete Ideen herauskristallisieren, sollte nicht nur vorausgesetzt werden, dass die Institutionen transparent handeln. Stattdessen sollte darauf geachtet werden, dass auch beim möglichen Anwendungsbereich Aspekten wie der zu schützenden Medienvielfalt zwingend Rechnung getragen wird. Schließlich ist nicht jedes Paket mit schöner Schleife und noch schönerem Namen tatsächlich ein Geschenk.

Daniela Beaujean ist Geschäftsführerin des Verbands Privater Medien (Vaunet). Dort beschäftigt sie sich mit Medienregulierung in Deutschland und der EU. 

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