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Standpunkte Reparatur-Gesetz: Nur mit modularer Technik

Tim Seewöster, Geschäftsführer und CMO von As good as new
Tim Seewöster, Geschäftsführer und CMO von As good as new Foto: As good as new

Ein Recht auf Reparatur kann nur verwirklicht werden, wenn die Gerätehersteller auch modulare Technikbauteile einsetzen, glaubt der CMO und Geschäftsführer des Refurbishers As good as new. Der Entwurf der EU-Kommission sei daher nicht weitgehend genug. Und ein Recht auf Reparatur brauche echte Wahlfreiheit für die Verbraucher:innen.

von Tim Seewöster

veröffentlicht am 04.05.2023

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Ende März stellte die EU-Kommission ihre Pläne für ein Recht auf Reparatur vor. Hierbei soll es vor allem darum gehen, sogenannte Verbrauchsgüter wie Haushaltsgeräte oder Heimelektronik leichter reparieren zu können. Damit soll die Position der Verbraucher gegenüber den Herstellern gestärkt und die Umwelt geschont werden. Als langfristiges Ziel soll es einfacher und billiger sein, Dinge reparieren zu lassen, als sie zu ersetzen. Denn die Realität sieht momentan so aus: In der EU entstehen jährlich 35 Millionen Tonnen Elektroschrott und über 260 Millionen Tonnen an CO₂-Emissionen.

Was die EU-Kommission an Plänen vorgestellt hat, können jedoch maximal Rahmenbedingungen für das sein, was wir wirklich brauchen: eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, in der Nachhaltigkeit ernsthaft betrieben und ganzheitlich gedacht wird. So schlägt die Kommission zum Beispiel vor, dass Verbraucher Reparaturen fünf bis zehn Jahre nach Ablauf der gesetzlichen Garantie beim Hersteller einfordern können. Dazu soll eine Plattform ins Leben gerufen werden, auf der Verbraucher in der Nähe geeignete Dienstleister für Reparaturen finden können.

Einfache und pragmatische Lösungen wie der Reparatur-Index in Frankreich mit einer dreistufigen Skala für die Reparierbarkeit von Geräten oder die Reparatur-Bons in Österreich mit einem Erlass der Hälfte jeglicher Reparaturkosten kommen in den Plänen nicht vor.

Neben den offensichtlichen ökologischen Aspekten sollte der Entwurf der Kommission auch die sozialen und ökonomischen berücksichtigen. Nachhaltigkeit bedeutet immer auch individuelle und unternehmerische Verantwortung. Es ist eben nicht nachhaltig, wenn ein Gerät zwar wiederaufbereitet wird, es dafür aber zuerst ins Ausland geschickt wird, wo die Arbeitslöhne niedriger sind. Durch die Logistik entsteht auch ein massiver, unnötiger CO₂-Ausstoß. Ernst gemeinte Nachhaltigkeit heißt daher auch „Buy local, produce local”.

Zudem fehlt es den Vorschlägen an konkreten Plänen zur Umsetzung. Daher meine klare Forderung: Bildschirm, Akku und Gehäuse eines Smartphones müssen für jeden austauschbar sein und das zu einem vernünftigen Preis!

Reparierbarkeit geht nicht ohne modulares Design

Bei der Diskussion um das Recht auf Reparatur, also eine Verpflichtung seitens der Hersteller, ihre Geräte reparierbar zu designen und dafür entsprechende Ersatzteile anzubieten, gibt es einen großen Denkfehler: Am Anfang hat der Konsument schlicht das Problem, dass sein Smartphone, Tablet oder Notebook kaputt ist. Hier würden sich auch mit verfügbaren Ersatzteilen nur die wenigsten trauen, diese selbst in ihr Gerät einzubauen. Dafür sind die Geräte absichtlich viel zu komplex und als geschlossene Systeme gestaltet und für die Reparatur wird spezielles Werkzeug benötigt.

Vielfach gibt es ein Bundling zwischen Hardware- und Softwarebestandteilen, die die Reparatur erschweren oder gar unmöglich machen. Interessant werden dann also die Fragen, wer das Gerät reparieren kann und wo es sich noch verkaufen lässt. Hersteller wie Apple haben zwar mittlerweile eigene Angebote zum Recyceln oder Reparieren. Diese sagen aber auch stets durch die Blume nichts anderes als „Kauft doch lieber ein neues Gerät”. Wenn Apple laut eigener Website maximal dazu bereit ist, 335 Euro für ein iPhone 12 zu bezahlen, oder als Self-Repair-Kit zwei 20-Kilo-Koffer voller selbst für Profis komplexer Werkzeuge liefert, ist klar, dass es das Unternehmen mit der Kreislaufwirtschaft nicht ernst meint.

An dieser Stelle kommen Refurbisher ins Spiel, die sowohl alte Geräte ankaufen als auch wiederaufbereitete Ware verkaufen. Hier bietet sich also zum einen dem Verbraucher eine Lösung, der nicht weiß, was er mit einem alten Gerät machen soll. Zum anderen ist jedes Gerät, das durch Refurbishing ein „zweites Leben erhält”, eines, das nicht neu produziert werden muss.

Elektronikhersteller zur Verantwortung ziehen

Es ist kein neues Thema: Die Ressourcen unserer Erde werden knapper, unser CO₂-Ausstoß führt zu einer Erwärmung des Klimas und unsere Energiekosten steigen. Refurbisher bieten hier also eine Lösung an, bei der alle Parteien gewinnen – wären da nicht die Hersteller wie Apple, Samsung und Co. Deren Primärinteresse besteht im Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen und weniger in einer Reparatur oder Wiederaufbereitung ihrer Produkte.

Wie bereits erwähnt: Ein repariertes Gerät ist eines, das nicht neu gekauft wird. Gerade bei Apple ist mittlerweile jedes einzelne Bauteil mit einem Chip gekoppelt. Diese Verschmelzung von Soft- und Hardware macht es für Laien quasi unmöglich, die Geräte zu öffnen. Selbst wenn ein neues Bauteil korrekt in das Smartphone eingesetzt wird, erkennt das Gerät dieses als „Fremdkörper“ und gibt eine entsprechende Meldung auf dem Display. Auch wenn dadurch die Funktionalität nicht zwangsweise eingeschränkt ist, kann allein diese Meldung den Nutzer stark verunsichern. Der Nutzer hat das Gefühl, ein „defektes” Produkt zu besitzen.

Genau hier muss das Recht auf Reparatur gesetzliche Rahmenbedingungen vorgeben, die den Verbraucher schützen. Gleichzeitig braucht es eine faire Diskussion über die Preise von Ersatzteilen und Reparaturen. Es kommen momentan oft Geräte beim Refurbisher an, bei denen sich die Reparatur schlicht nicht lohnt, da die Ersatzteile zu teuer sind und sich somit keine Marge mehr erzielen lässt. Auf den Punkt gebracht: Wir brauchen modulare Elektronik, bei der sich im Fall von Smartphones zumindest der Akku, das Display und die Hülle einfach austauschen lassen.

Keine Verzichts-, sondern eine Vorteilsdebatte führen

„It is not refurbished, it is responsible.” Die Nachhaltigkeit und Langlebigkeit von Elektrogeräten und das Ziel der Gewinnmaximierung von Unternehmen stehen zueinander nicht im Widerspruch. Mir ist es daher wichtig zu betonen, dass wir bei den Themen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit sowie beim stigmatisierten Begriff „gebraucht” keine Verzichts-, sondern eine Vorteilsdebatte führen müssen. Kunden werden auch weiterhin gern Smartphones, Tablets oder Computer kaufen, die neuwertiger als ihre aktuellen Geräte sind, bei denen der Preis und die Qualität passen und auch noch eine Garantie dabei ist. Anstelle des „immer neu” haben sie neben dem Preisvorteil auch das gute Gewissen, nachhaltig verantwortlich gehandelt zu haben.

Und das liegt im Zeitgeist: Mittlerweile hat aus der Generation Z jede dritte Person bereits ein wiederaufbereitetes Gerät gekauft. Gleichzeitig zeigt die steigende Anzahl an Wettbewerbern, wie groß die Nachfrage und damit der Markt geworden ist. Wenn dieser Trend anhält, wird früher oder später der Gebrauchtwarenmarkt größer werden als der für Neuware.

Nur: Warum sollten wir darauf warten? Es braucht die Aktivität des Gesetzgebers und die richtigen Rahmenbedingungen: Jetzt hat es die EU-Kommission in der Hand, mit einem überzeugenden Entwurf des Rechts auf Reparatur Fakten zu schaffen, die die Hersteller von Smartphones, Tablets und Co. zu einem wirklich nachhaltigen und damit verantwortlichen Handeln zwingen. Sie kann so dabei helfen, dass Verbraucher künftig wirklich selbst entscheiden können, ob sie ihre Geräte noch einmal reparieren oder doch lieber ein neues kaufen. In einer freien Gesellschaft sollten die Menschen genau dieses Recht auf eine eigene Entscheidung haben auch beim Kauf eines Smartphones.

Tim Seewöster ist CMO und Geschäftsführer von As good as new, einem Refurbisher-Unternehmen mit Sitz in Berlin.

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