Die Ampel-Koalition hat große digitalpolitische Erwartungen geweckt: Nicht nur die Vorhaben im Koalitionsvertrag hat die Zivilgesellschaft weitgehend positiv bewertet. Die Ankündigung von Franziska Brantner, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022 mit dem Sovereign Tech Fund die Förderung digitaler Open-Source-Basistechnologien anzustoßen, war ein Zeichen des Aufbruchs in einem in Deutschland lange vernachlässigten Feld.
2022 noch keine Gelder für Open-Source-Förderung
Open-Source-Software ist die Grundlage für digitale Souveränität, also die selbstbestimmte Nutzung und Gestaltung digitaler Technologien durch Individuen, Unternehmen und den Staat. Unsere Gesellschaft baut schon heute auf ihr auf, doch bei der Instandhaltung dieser kritischen IT-Infrastruktur versagen bisher sowohl der Markt als auch traditionelle Förderansätze, das hat unsere Machbarkeitsstudie zum Sovereign Tech Fund für das Wirtschaftsministerium gezeigt. Mit dem Versprechen das zu ändern und Open Source nachhaltig zu fördern ist die Bundesregierung angetreten.
Doch nach 100 Tagen sind den Worten noch keine Taten gefolgt: Bei den viel gelobten Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung aus dem Koalitionsvertrag, um digitalpolitisch endlich aufzuholen, hat sich bislang nichts getan. Von 18 Vorhaben wurde laut dem Koalitionstracker von „FragDenStaat“ noch keines begonnen.
Im Bundeshaushalt sucht man ebenfalls vergeblich nach Hinweisen, dass die Bundesregierung es mit der digitalen Souveränität ernst meint. Weder für den Sovereign Tech Fund, noch für das Zendis, das Zentrum für digitale Souveränität, das Open Source in der Verwaltung verankern soll, sind im Kabinettsentwurf Haushaltsposten vorgesehen. Wie das Bundeswirtschaftsministerium ein neues Förderinstrument schaffen soll, für das keine Mittel vorgesehen sind, bleibt ein Rätsel.
Resilienz vorausschauend schaffen
Die Bundesregierung ist mit ihren digitalpolitischen Vorhaben als Tiger gesprungen, doch droht als Bettvorleger zu landen. Trotz vieler guter Ideen hat das Thema noch immer keine Priorität.
Riesige Geldsummen gibt es für die unmittelbare Reaktion auf Krisen. Dieser Tage bedeutet das: Spritpreise first, Digitalisierung second, weil die notwendigen Investitionen in die Energiewende zu lange verschlafen wurden und der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Politik nun zum Handeln zwingt. In die Vorbeugung zukünftiger IT-Krisen will die Ampel dabei nicht einmal das Notwendigste investieren. So werden wir weiterhin im Schadensfall teure Behelfslösungen finanzieren müssen, anstatt vorausschauend und nachhaltig in die Resilienz unserer digitalen Basisinfrastruktur zu investieren, und müssen auch weiterhin den aktuellen Entwicklungen hinterhereilen, anstatt sie aktiv mitzugestalten.
Die IT-Infrastruktur muss elementarer Teil unserer Daseinsvorsorge werden, denn im Krisenfall sind wir auf sie genauso angewiesen wie auf das Verkehrsnetz oder den Katastrophen- und Zivilschutz. Damit wir auf die nächste Krise besser vorbereitet sind, müssen wir jetzt in die IT-Sicherheit, technologische Unabhängigkeit und Resilienz unserer Wirtschaft, Behörden und Zivilgesellschaft mit verschiedenen Ansätzen investieren: neben dem Breitbandausbau und den Bemühungen um offene Cloud-Lösungen gehört auch die Instandhaltung der Open-Source-Basisinfrastruktur dazu. Der Bundestag hat noch die Chance, den Bundeshaushalt an die großen digitalpolitischen Herausforderungen anzupassen. Schiebt er das Thema auf die lange Bank, ist abzusehen, dass die Kosten um ein Vielfaches höher liegen werden.
Felix Reda ist seit 2020 Mitglied im Vorstand der Open Knowledge Foundation, die 2021 eine Machbarkeitsstudie für die Open-Source-Bundesförderung im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums durchgeführt hat. Er ist Experte für Urheberrecht und Kommunikationsfreiheit und leitet das Projekt „control ©“ bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Von 2014 bis 2019 war Felix Mitglied des Europäischen Parlaments innerhalb der Grünen-Fraktion. Felix ist Fellow der Shuttleworth Foundation und Affiliate des Berkman Klein Center for Internet and Society an der Harvard-Universität.