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Digitalisierung & KI

Standpunkte Vier gute Vorsätze für den IT-Planungsrat

Lisa Steigertahl, Leitung Innovationsstrategie bei Microsoft Deutschland
Lisa Steigertahl, Leitung Innovationsstrategie bei Microsoft Deutschland Foto: Tobias Koch

Beim Bund und den Ländern ist im IT-Planungsrat zum Jahreswechsel wenig Anlass, die Korken knallen zu lassen, glaubt Digitalisierungs-Expertin Lisa Steigertahl. Doch wer jetzt ein paar gute Vorsätze macht, könnte in diesem Jahr mehr glänzen als 2023. Ein paar gut gemeinte Anregungen.

von Lisa Steigertahl

veröffentlicht am 02.01.2024

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Der Jahreswechsel ist die Zeit für Rückblicke und gute Vorsätze. Was ist im vergangenen Jahr geglückt? Was wollen wir im kommenden Jahr bewirken, verbessern, beschleunigen?

Tatsächlich ist beim Thema Verwaltungstransformation gerade in den letzten Monaten zumindest regulatorisch einiges passiert (siehe EU AI Act und die beiden Digitalisierungsgesetze im Bereich Gesundheit). Dennoch bleibt das Fazit: Eine echte Entlastung ist bislang weder für die Mitarbeitenden der Verwaltung noch für die Bürgerinnen und Bürger zu spüren. Im Gegenteil: KI, Low-Code oder Servicedesign müssen erstmal verstanden, auf die eigenen Zuständigkeiten übertragen und (wenn es überhaupt so weit kommt) irgendwo beschafft werden. Zur Umsetzung der Trendthemen fehlt es schlicht an Personal. Die verwaltungseigene Innovationskompetenz bleibt Mangelware, solange es kaum konkrete Bildungsangebote in den Verwaltungshochschulen gibt. Zuletzt hat auch noch das Haushaltsfiasko des Bundes für zusätzliche Verunsicherung in Bund und Ländern gesorgt und die Lust auf mutige Investitionen in Innovationsprojekte deutlich gedämpft. Im IT-Planungsrat ist zum Jahreswechsel also wenig Anlass, die Korken knallen zu lassen.

Die Arbeit ins Schaufenster stellen

Gute Vorsätze und Mut sind gefragt. Eine gehörige Portion Pragmatismus ist nötig, damit der IT-Planungsrat 2024 endlich die eigene Wirksamkeit sichtbar und erlebbar machen kann. Die länderübergreifende Zusammenarbeit ist gut, auch europäisch gibt es Interesse an Nachahmung, hinter den Kulissen passiert viel. Zu wenig dringt nach außen. 

Wie könnte die Arbeit des Planungsrats also sichtbarer werden? Neben mehr konkreten Vorgaben zu Standardisierung, Schnittstellen und Kostenübernahmen in den Beschlüssen, muss die für 2024 angesagte gemeinsame Digitalstrategie unbedingt auch ein zentrales Budget und mehr Wirkungsorientierung enthalten. Was sollen die Maßnahmen bewirken und wie sollen Erfolge gemessen, wie Fortschritte und Verzögerungen kommuniziert werden? Von Sitzung zu Sitzung muss ein konstruktiver Austausch stattfinden. Fortschritte und Verzögerungen könnten über die Föderale IT-Kooperation (Fitko) transparent nachgehalten und öffentlich online zur Verfügung gestellt werden. Vorab müssen die Zuständigen benannt werden und in der Sitzung zu den Projekten berichten.

Wie das klappen kann

Das dauert zu lange, ist viel zu kompliziert? Dann braucht es vielleicht mehr Luft für schnellere Beschlüsse; die eigene Geschäftsordnung gehört evaluiert, die Sitzungsdokumentation technologisch unterstützt. Eine Beschlussfassung nach qualifizierter statt nach absoluter Mehrheit, also ohne die Zustimmung aller Länder, wäre ein echter Turbo. Ich wünsche mir zudem weniger „Weichspülen“ der Beschlüsse in der AL-Runde und dafür mehr Umsetzungsdruck unter den Mitgliedern. Mehr konstruktiver Diskurs im Planungsrat selbst führt zu weniger Verwaltungsaufwand im Vorhinein und am Ende zu mutigeren Entscheidungen.

Fakt ist: Technologie allein wird die digitale Transformation der öffentlichen Hand nicht erledigen. Nötig ist ein eindeutiges und progressives Veränderungsmanagement; und mehr Realprojekte, die den Ländern als helle Leuchttürme Orientierung bieten, Mut machen und zu eigenen Innovationsprojekten motivieren. Dabei müssen sich Themen und Aufgaben viel enger verzahnen. So bedingt eine mutige Novellierung des Onlinezugangsgesetzes die eindeutige Verknüpfung mit der Registermodernisierung. Hier gäbe es genügend „Lebenslagen“, wo auch der Bund beispielhaft Register auf Plattformen interoperabel zur Verfügung stellen könnte, um dann Ende-zu-Ende vom Antrag bis zum Bescheid Lösungen umzusetzen und anzubieten. Beispiel Fachkräftemangel: Würde die Lebenslage „Ein- und Auswanderung“ auf modernen Plattformen umgesetzt, könnten Verwaltungsaufwände drastisch reduziert, wichtige Fachkräfte beschleunigt ins Land geholt und in der Bearbeitung Milliarden gespart werden.

Mit der Fitko Hand in Hand voran

Was noch? Fehlt es dem Planungsrat vielleicht einfach an Zeit für Visionen? Wenn ja, könnten Public-Private-Partnerships mit dem Blick aus den Industrien, der Wissenschaft und anderen Ländern die nötige Inspiration für konkrete Umsetzungsprojekte geben.

Externe? Wir haben doch die Fitko! Mit neuem Präsidenten, großer strategischer Ambition, mehr Personal, sowie den Fortschritten bei Fit-Connect und der Verankerung der Registermodernisierung könnte die Fitko den IT-Planungsrat noch operativer unterstützen und agiler auf die Bedürfnisse des Gremiums eingehen. Aber auch die stärkste Organisation gerät im politischen Alltag ins Straucheln, wenn sich der Auftraggeber IT-Planungsrat im Klein-Klein verliert. Wenn schon die Findung eines gemeinsamen Logos zu Eskalationen unter den Mitgliedern führt, wie soll die Fitko bei großen und komplexen Fragen wie IT-Architekturmanagement oder IT-Sicherheit zielgerichtet und wirksam koordinieren?

Hier also (gern zur Nachnutzung) ein paar pragmatische und 2024 umsetzbare  Vorsätze für den IT-Planungsrat: 

  • Nutzt die Technologien selbst! Für langweilige Routineaufgaben und Textanalyse zum Beispiel. Wie wäre es mit Geschäftsordnungs-Bots, automatischer Protokollierung, einem offenen Projektmanagement und digitalen Abstimmungen? Lasst die Fitko selbst testen und evaluieren, wo Technologien den Arbeitsalltag wirklich beschleunigen und geht mit gutem Beispiel voran!
  • Zeigt, was ihr habt! Ohne mehr Kommunikation zu bereits umgesetzten Projekten samt Wirkungsbericht werden Bürgerinnen und Bürger neue Angebote nicht kennen, nutzen und schätzen. Es  gibt ja schon Erfolge und Angebote auf Bundes und Länderebene. Investiert in Sichtbarkeit und zeigt auf, welche Mehrwerte geschaffen wurden, kommuniziert intern auch Ressourcenersparnisse und Lessons Learned!
  • Hört noch mehr zu! Erste Konsultationen, wie im Bereich eID und OZG zeigen, was das Ökosystem an Fachwissen, Ideen und Beispielen einbringen kann und möchte. Darauf kann 2024 auch im Bereich KI aufgebaut werden. Lasst die Zivilbevölkerung, Wissenschaft und Privatwirtschaft Arbeitskreise moderieren, Impulse geben und Diskussionen einordnen. Lasst Expertinnen und Experten der Verwaltung helfen, beim technologischen Fortschritt mitzuhalten.
  • Stellt euch immer wieder auf die Probe! Bevor Bestandsprozesse und Regeln digitalisiert werden, bitte kritisch hinterfragen, was nicht mehr gebraucht oder deutlich verschlankt werden könnte. Eine vereinfachte Beschlussfassung und digitale Sitzungsunterlagen beispielsweise schonen Nerven und die Umwelt. Und warum werden Beschlüsse nicht gleich in Länderpartnerschaften erarbeitet?

Sicher könnten die Liste der guten Vorsätze noch länger werden. Doch wenn wir allein diese vier wirklich umsetzen, dann wird 2024 uns digitalpolitisch einen großen Schritt voranbringen. Möglicherweise hätten die Mitglieder des Planungsrates ja auch selbst Wünsche und Ideen? Bis zur ersten Sitzung im März werden wir es vielleicht erfahren. Und wer nicht bis März warten kann, geht mit gutem Beispiel voran, startet schonmal eigene Cloudprojekte, schlaut sich im Bereich KI auf oder fragt einfach mal im Nachbarland, was im Bereich Digitalisierung so geht. Neues Jahr, neues Glück.

Lisa Steigertahl leitet seit April 2022 Innovationsstrategien im Geschäftsbereich Öffentlicher Sektor für die Microsoft Deutschland GmbH. Zuvor hat sie die E-Government-Strategie für das Land Berlin verantwortet sowie die Geschäftsführung eines europäischen Dachverbands für innovative Unternehmen in Brüssel.

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