Am morgigen Dienstag wird aus Brüssel der zweite Teil des klimapolitischen Großprojektes Fit-for-55 erwartet. Neben dem Gaspaket sorgt vor allem eine Richtlinie bereits vor Veröffentlichung für Aufregung: die europäische Gebäude-Richtlinie oder genauer gesagt die Energy Performance of Buildings Directive (EPBD).
Die Erwartungen an diesen neuen Wurf für europäische Gebäudepolitik hat die Kommission selber denkbar hoch gesetzt und bereits im letzten Herbst eine Renovierungswelle für Europa versprochen, die die Emissionen im Gebäudesektor bis 2030 um 60 Prozent gegenüber 2015 senken soll. Eine Mammutaufgabe, zumal die Europäische Kommission bisher das Thema Klimaschutz im Gebäude weitestgehend den Mitgliedstaaten überlassen hat. Entsprechend unverbindlich war die EPBD bisher, die Vorgaben wie Neubaustandards oder nationale Sanierungsfahrpläne und transparenten Gebäudedaten wurden in Deutschland und Europa deshalb weitestgehend ignoriert oder umschifft.
Dass zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität aber kein Weg am Gebäudesektor vorbeiführt, hat sich inzwischen herumgesprochen: Der Sektor ist grob für ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Entsprechend weitreichend waren auch die Überlegungen der Kommission, wie die europäischen Ziele auch mit verbindlichen Standards und Instrumenten unterfüttert werden können.
Mindestvorgaben für Gebäude als letzte Hoffnung?
Dazu zählen neben einer EU-weiten Definition von Neubaustandards zum Beispiel verbindliche Vorgaben zur Erfassung von Gebäude-Energiedaten und die Erstellung von Energieausweisen sowie Sanierungsfahrplänen. Der Entwurf der Kommission ist erfreulich, auch die Emissionen aus dem gesamten Lebenszyklus von Gebäuden möchte Brüssel angehen.
Am bedeutendsten für die Erhöhung der energetischen Sanierungstätigkeit wird die Verankerung EU-weiter Mindesteffizienzstandards für den Gebäudebestand (auf Englisch Minimum Energy Performance Standards, kurz MEPS). Mit diesem Instrument würden erstmalig gezielt die Gebäude mit den höchsten Energieverbräuchen angegangen. Ein ebenso notwendiger wie überfälliger Schritt!
Blicken wir nach Deutschland, ist ein solcher Impuls aus Brüssel für unseren Gebäudebestand besonders dringend nötig. So hat der Sektor 2020 als einziger sein Klimaziel verfehlt – trotz der Verpflichtung zur Erstellung eines Sofortprogramms ist das Thema im Wahlkampf des Sommers schnell ins Hintertreffen geraten und ein Umsteuern in der gebäudebezogenen Klimapolitik bisher nicht erkennbar.
Auch der Koalitionsvertrag lässt keine ausreichenden Ansätze erkennen, die eine klimazielkompatible Emissionsminderung im Gebäudebereich anreizen würde. Ganz im Gegenteil – lange überfällige Maßnahmen wie die Anhebung der Effizienzstandards bei Neubau und Sanierung sowie der Ausstieg aus rein fossilen Heizungssystemen wurden schon jetzt ans Ende der Legislatur verschoben. Ein Instrument zur Erhöhung der energetischen Sanierungsraten fehlt völlig in dem ausgehandelten Kompromiss. Diese Lücke kann die EPDB mit der Einführung von verbindlichen Mindesteffizienzstandards nun schließen.
Der Pfad in ein erneutes Verfehlen der Sektorziele ist vorgezeichnet und wirft bereits große Sorgen für die Erreichbarkeit des 2030-Ziels auf. Der Projektionsbericht der Bundesregierung rechnet alleine im Gebäudesektor mit einer Emissionslücke von 24 Millionen Tonnen bis 2030. Umso größer der Handlungsdruck, der jetzt auf die europäische Ebene abgeschoben wird.
Zaudern der EU-Kommission war bis zuletzt spürbar
Ein erster Leak der Gebäude-Richtlinie aus dem Oktober hat zunächst keine großen Hoffnungen auf eine ambitionierte Ausgestaltung geweckt, aber der Vorschlag, der morgen erwartet wird, soll an entscheidenden Stellen deutlich nachgeschärft worden sein. Klar ist, dass die Kommission auf jeden Fall einen Vorschlag für die Ausgestaltung der Mindesteffizienzstandards für den gesamten Gebäudebestand liefern wird und damit das selbst gesetzte Ziel von 35 Millionen Sanierungen bis 2030 erreichen möchte.
Gegner der angekündigten Maßnahmen haben sich natürlich bereits formiert, dabei würde mich dem Instrument eine wichtige Lücke in den bisherigen politischen Maßnahmen im Gebäudesektor geschlossen. Sicher auch nicht irrelevant sind die Erfahrungen, die andere EU-Mitgliedstaaten wie die Niederlande oder Frankreich bereits mit der Umsetzung von MEPS gesammelt haben.
Klimapolitisch wirksam sind die Mindeststandards vor allem, da sie Gebäude in den schlechtesten Effizienzklassen als erstes in den Blick nehmen. Die Wirksamkeit der eingesetzten Fördermittel könnte so deutlich erhöht werde und vor allem dorthin gelenkt werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden: bei der energetischen Sanierung und im Gebäudebestand.
Zusätzlich würde das in Deutschland bisher wenig beachtete Konzept der Energiearmut hier eine neue Bedeutung gewinnen. Es wird geschätzt, dass EU-weit etwa 34 Millionen Haushalte nicht in der Lage sind, ihre Gebäude und Wohnung ausreichend zu beheizen. Auch in Deutschland ist es so, dass vor allem sozial benachteiligte Gruppen in energetisch schlechten Gebäuden wohnen, häufig in Mietverhältnissen. Das bedeutet: Sie haben keinen Einfluss auf den Zustand der Gebäude. und sind dadurch umso heftiger Energiepreisspitzen, wie wir sie ja aktuell erleben, ausgesetzt sind. Gerade hiervor soll ein gewissen Wohnstandard und Unabhängigkeit von fossilen Energiepreisen schützen.
Tempo bei der nationalen Umsetzung ist gefragt
In der Ausgestaltung des Instrumentes werden langfristige Planbarkeit und die Verknüpfung mit sozial abgefederten Finanzierungsmodellen der Schlüssel sein. Aus Sicht der DUH wäre es in der nationalen Umsetzung besonders begrüßenswert, wenn hier die öffentliche Hand vorangeht und Mindeststandards zuerst in öffentlichen Gebäuden umgesetzt werden (und das nicht nur auf Bundesebene). Auch vermietete Mehrfamilienhäuser könnten ein guter Startpunkt für ein nationales Front-Runner Format werden, so wie es beispielsweise in England bereits umgesetzt ist.
Wir erwarten von der neuen Bundesregierung eine klare Unterstützung der neuen Vorschläge aus Brüssel und die schnellstmögliche Umsetzung in nationales Recht. Hier darf keine weitere Zeit verloren gehen, viele der Maßnahmen des Kommissionsvorschlags ließen sich bereits in das angekündigte Klima-Sofortprogramm im nächsten Jahr integrieren und so die Voraussetzung für eine beschleunigte nationale Umsetzung sicherstellen. Spätestens im März wird mit dem erneuten Reißen der Sektorziele im Gebäude ohnehin ein weiteres Sofortprogramm fällig.
Barbara Metz ist Stellvertretende
Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe. Elisabeth Staudt ist bei der
DUH Referentin für Energie und Klimaschutz.