Die Wärmewende bleibt der Zankapfel der Ampelkoalitionäre. Bis heute gibt keine abschließende Klärung von „Habecks Heizungshammer“. Die Reibung zwischen den Regierenden führt bisher maximal zu warmen Stuben in den Ministerien.
Wirtschaftsminister Robert Habeck kann man zugutehalten, dass das Sorgenkind Gebäudebestand derzeit mehr Beachtung bekommt als in den letzten Jahren. Der Status Quo ist seit langer Zeit unverändert: Rund ein Drittel der Wohngebäude in den schlechtesten Effizienzklassen G und H machen ganze 50 Prozent an Emissionen des Gebäudesektors aus. Die Sanierungsrate stagniert.
Europäische Mindeststandards nicht unterlaufen
Im EU-Parlament wurde kürzlich der Weg für die energetischen Mindeststandards für Gebäude, kurz MEPS (Minimum Energy Perfomance Standards), bereitet. Doch Bauministerin Klara Geywitz hält die Regelung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, Justizminister Marco Buschmann spricht von einem „Kostenhammer“. Es droht ein Déjà-vu, auch was den medial unterstützten Streit der letzten Wochen betrifft.
Dass die MEPS zu einer Reduzierung unseres Wohlstands führten, ist ein fataler Irrtum. Gerade in den vergangenen Jahren haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass energetische Sanierungen den Wert einer Immobilie nicht nur stabil halten, sondern meist steigern können. Viele Investitionen werden häufig im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen ohnehin fällig – sogenannte Sowieso-Kosten.
Ausnahmegenehmigungen werden zu Rohrkrepierern
Die von der Politik ins Auge gefassten Ausnahmegenehmigungen verheißen noch mehr Unruhe. Die beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) eingebrachte Altersgrenze von 80 Jahren zündelt jetzt schon besser als jeder Durchlauferhitzer. Die Eigentümerverbände drohen mit einer Klage, Stichwort: Nießbrauch. Im Falle der MEPS schlägt Bauministerin vor, erstmal die Perspektive zu ändern, bevor man handelt. Die Geywitzsche Quartiersbetrachtung führt dann dazu, dass sich ein Worst Performing Building hinter einem klimafitten Gebäude verstecken kann. Das wäre in etwa so, als würde man in der Kantine des Bauministeriums die Reste vom Vortag ins Frikassee von heute untermischen.
Heimische Wertschöpfung ist gesichert
Kommen wir zum Grundlegenden: Der Fortschritt bei der Elektrifizierung der Wärmeversorgung wird nicht ausreichen, um mit den gesteckten Zielen im Gebäudesektor mitzuhalten. Und trotzdem geraten Maßnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs in den Gebäuden massiv ins Hintertreffen. Auch wenn dies von vielfach belegten bauphysikalisch-ingenieurtechnische Bedenken hinsichtlich des Einsatzes von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden mit einer schlechten Gebäudehülle begleitet wird.
Man vergisst häufig, dass Investitionen in die Gebäudehülle ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal haben, das alle anderen Bemühungen rund um die Energiewende aussticht: Fast die gesamte Wertschöpfung bleibt in Deutschland. Von der Produktion bis zur Ausführung. In Zeiten, in denen man sich branchenübergreifend Gedanken über die Renationalisierung der Industrie macht, ist man hier schon einen Schritt weiter.
Trotz alledem sollten wir in Zusammenhang mit Dämmung, neuen Fenstern und Co. auch über alternative Finanzierungsformen und Rahmenbedingungen sprechen. Und vor allem jene Menschen ganz besonders Beachtung schenken, die energetische Modernisierungen in Frage stellen oder sich kaum leisten können.
Rückbesinnung auf die guten Werkzeuge
Eine Versachlichung der Debatte täte gut. Zum Beispiel auf die Rückbesinnung auf einen bereits bestehenden Konsens bei Politik als auch den beteiligten Interessengruppen – Efficiency first. Somit handelten wir konsequent im Sinne von dem, was nicht nur angesichts einer finanziell angespannten Haushaltslage am sinnvollsten ist. Maßnahmen, die Gebäude schneller und kostenschonend in höhere Effizienzklassen bringen, müssen priorisiert werden, um damit alternativ die 65-Prozent-Vorgabe erreichen zu können. Energieeinsparungen durch Effizienzmaßnahmen sollten demnach auch als Erfüllungsoption der 65-Prozent-Regel gelten und auf den vorgeschriebenen Erneuerbaren Energien-Anteil angerechnet werden.
Entscheiden, was für ein Gebäude richtig ist, kann man das selbstverständlich nicht aus dem Berliner Regierungsviertel heraus, sondern nur, wenn man die Beschaffenheit eines jeden Objekts vor Ort begutachtet. Und auch hier gibt es bereits eine Maßnahme, die weitreichende Akzeptanz hat: den individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP). Unterm Strich verfügen wir bereits über sehr gute Werkzeuge, wir müssen sie nur konsequenter nutzen. Nur bitte nicht jede Woche ein neuer „Hammer“.
Jan Peter Hinrichs ist Geschäftsführer des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG), der die an einer energieeffizienten Gebäudehülle beteiligte Industrie und die Gewerke vertritt.