Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat in einer Ende März veröffentlichten Stellungnahme angemahnt: Die CO2-Emissionen, die das Klimaschutzgesetz gestattet, liegen deutlich über dem CO2-Budget, das Deutschland als „fairen Beitrag“ zum Pariser 1,5-Grad-Ziel einzuhalten hat. Demnach wäre es fair, jedem Menschen auf der Welt gleiche Emissionsrechte zuzubilligen und danach die nationalen Budgets aufzuteilen.
Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, die Treibhausgas-Emissionen auf ein Niveau zu reduzieren, mit dem der Anstieg der globalen Temperaturen deutlich unter 2 Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius, gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt wird. Um diesem Ziel gerecht zu werden, haben die Vertragsstaaten freiwillige Minderungsverpflichtungen (nationally determined contributions, NDCs) übernommen.
Diese sind in Bezug auf das Ambitionsniveau in regelmäßigen Zeitabständen anzuheben. Das Pariser Klimaabkommen zielt darauf ab, dass die Unterzeichnerstaaten vergleichbare Anstrengungen unternehmen, um damit im Ergebnis der globalen Zielvorgabe gerecht zu werden.
Das Problem: Der vom SRU befürwortete Budget-Ansatz ist durch das Pariser Klimaabkommen nicht gedeckt. Zudem bietet der Weltklimarat (IPCC), also das Gremium der Vereinten Nationen, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel bewertet, in seinen Sachstandsberichten keine nachhaltig belastbare Ausgangsbasis für die Bemessung eines globalen Restbudgets. So wurde das Restbudget in den Berichten, die ab 2014 vorgelegt worden waren, in Folgeberichten nach oben korrigiert.
Voraussetzungen für Klimaschutz sind verschieden
Selbst wenn es gelänge, ein nachhaltig belastbares globales Emissionsbudget zu definieren, wäre es nicht als gerechte Lösung anzusehen, daraus nationale Emissionsbudgets nach Maßgabe der Einwohnerzahl (gleiche Pro-Kopf-Emissionen) abzuleiten. Die Ausgangsbedingungen in den verschiedenen Staaten sind sehr unterschiedlich. Das gilt unter anderem hinsichtlich der klimatischen Bedingungen, der Ressourcensituation und der Wirtschaftsstrukturen.
Je nach klimatischen Bedingungen bestehen starke Abweichungen hinsichtlich der Anforderungen an den Heiz- beziehungsweise Klimatisierungsbedarf. Staaten, in denen die Möglichkeit besteht, aufgrund topografischer Bedingungen bei gleichzeitig reichlicher Verfügbarkeit an Wasser die Stromerzeugung auf Wasserkraft stützen zu können, haben günstigere Voraussetzungen, niedrige Pro-Kopf-Emissionen vorweisen zu können als Staaten, in denen diese Bedingungen nicht gegeben sind. Beispiele sind Norwegen oder die Schweiz, deren Stromerzeugung fast ausschließlich oder zumindest zu weiten Teilen auf der traditionell genutzten Wasserkraft basiert.
Daneben sind die Wirtschaftsleistung, aber vor allem auch die Wirtschaftsstruktur, ein maßgeblicher Faktor für die Höhe der Pro-Kopf-Emissionen. Ein Staat mit einem vergleichsweise hohen Anteil an industrieller Produktion, insbesondere von energieintensiven Erzeugnissen, kommt tendenziell auf höhere Pro-Kopf-Emissionen als eine Volkswirtschaft, die durch starke Dominanz von Dienstleistungen geprägt ist.
Ein weiterer Faktor ist die Außenhandelsverflechtung, die zwischen den Staaten stark variiert. Einem Staat, der etwa beim Export von Rohstoffen oder von Industriegütern eine starke Position hat, werden nach dem Entstehungsprinzip Emissionen zugerechnet, die für die Bereitstellung von Gütern in anderen Volkswirtschaften anfallen.
Länder sollten sich vergleichbar anstrengen
Der Ansatz, nationale Emissionsbudgets gemäß einem Pro-Kopf-Ansatz festzulegen, die zudem auf einem wissenschaftlich nicht nachhaltig definierbaren globalen Ausgangsgröße basiert, kann nicht als gerechte Lösung angesehen werden. Fair ist es vielmehr, wenn den Staaten vergleichbare Anstrengungen abverlangt werden.
Das ist genau der Ansatz, der mit dem Pariser Klimaabkommen verfolgt wird. Die EU und damit auch Deutschland werden diesem Anspruch gerecht. So haben sich die EU-27 und Deutschland als Bestandteil dieser Staatengemeinschaft verpflichtet, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Die EU strebt Treibhausgas-Neutralität bis 2050, Deutschland sogar bereits bis 2045, an.
Eine Budgetierung nach Staaten, orientiert an der jeweiligen Einwohnerzahl, hätte zudem keine Chance, allgemeine Zustimmung bei den Unterzeichnerstaaten zu bekommen. Große Emittenten-Länder mit im Vergleich zum Weltdurchschnitt deutlich höheren pro-Kopf-Emissionen, wie beispielsweise USA und China, würden sich voraussehbar unter keinen Umständen auf einen solchen Ansatz einlassen.
In China waren die CO2-Emissionen pro Kopf der Bevölkerung im Jahr 2023 mit knapp neun Tonnen fast doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. China strebt an, den Höchststand der CO2-Emissionen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2060 zu erreichen. Allein das Beispiel China zeigt bereits, dass eine Chance zur weltweiten Umsetzung eines Pro-Kopf-Budgets nicht besteht.
Besser CO2 international und harmonisiert bepreisen
Würde Deutschland dennoch versuchen, diesem Ansatz gerecht zu werden, wäre nicht zu erwarten, dass andere Staaten, denen dadurch vergleichbare Nachteile entstünden, diesem Weg folgten. Konsequenz wäre, dass es zu einer Verlagerung von Emissionen aus Deutschland in andere Länder käme („Carbon Leakage“). Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätze in Deutschland gingen verloren. Dem globalen Klimaschutz wäre nicht gedient.
Zielführend wäre dagegen, dass sich die internationale Staatengemeinschaft auf eine schrittweise harmonisierte Bepreisung von CO2 verständigt. Damit wäre gewährleistet, dass die kosteneffizientesten Möglichkeiten zur Absenkung der Treibhausgas-Emissionen – unter Vermeidung von Emissionsverlagerung – genutzt werden. Eine Bepreisung von CO2 kann sowohl in Form von Steuern als auch über Emissionshandelssysteme erfolgen.
Eine Steuerlösung hat den Nachteil, dass damit nicht die Einhaltung politisch definierter Zielvorgaben zu gewährleisten ist. Das funktioniert jedoch bei einer Mengensteuerung. Die erfolgt etwa mit dem 2005 in der EU für die Teilsektoren Energiewirtschaft und Industrie eingeführten Treibhausgas-Emissionshandelssystem. Die politisch definierten Obergrenzen werden damit sicher eingehalten.
Klimaclub könnte Bepreisung vorantreiben
Mit der Bepreisung von CO2 werden die entscheidenden Anreize für eine beschleunigte Verbesserung der Energieeffizienz, einen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien und die breite Umsetzung der Technologie der Abscheidung und Nutzung beziehungsweise Speicherung von CO2 gesetzt. Ergänzende Instrumente können dazu dienen, den Hochlauf von Wasserstoff zu erreichen, um auf diese Weise die Sektoren zu dekarbonisieren, die sich für eine Elektrifizierung nur schwer erschließen lassen, wie etwa der Schwerlast-, der Schiffs- und der Flugverkehr.
Wie schnell und wie stark sich der Wandel vollzieht, hängt von Faktoren ab wie der energie- und klimapolitischen Ausrichtung der Regierungen, der technologische Entwicklung und dem Verbraucherverhalten. Mit dem 2022 auf Initiative der G7-Staaten begründeten Klimaclub, dem sich inzwischen zehn weitere Staaten angeschlossen haben, können ausbaubare Schritte zu einer internationalen Bepreisung von CO2 umgesetzt werden.
Die Internationale Energieagentur hat im „Announced Pledges Scenario“ ihres World Energy Outlook 2023 dargelegt, dass der globale Temperaturanstieg in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf 1,7 Grad Celsius begrenzt bliebe, wenn alle Staaten die eingegangenen Verpflichtungen vollumfänglich und ohne Verzögerung umsetzen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der mit dem Pariser Klimaabkommen eingeschlagene Weg zum Erfolg geführt werden kann. Dies gilt erst recht, wenn die Staaten, wie in dem Pariser Abkommen angelegt, das Ambitionsniveau in den nächsten Jahren weiter verschärfen.