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Sustainable Finance

Standpunkte Freiwilliger Emissionshandel kann die CO2-Entnahme mitfinanzieren

Daniel Vetterkind, Mitgründer und Co-Geschäftsführer von Recarb
Daniel Vetterkind, Mitgründer und Co-Geschäftsführer von Recarb Foto: Recarb

Wir müssen Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen, um bei einer Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu bleiben. Die naturbasierte als auch die technische CO2-Entfernung hätten aber einen enormen Kapitalbedarf, schreibt Daniel Vetterkind. Hier könne der freiwillige Emissionshandel helfen, so der Mitgründer von Recarb, das Investitionen in naturbasierte CO2-Entfernung ermöglicht. Dafür wären aber gesetzliche Anreize und ein kritischer Umgang mit den bisher ausgegebenen Zertifikaten nötig.

von Daniel Vetterkind

veröffentlicht am 18.04.2024

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Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen sowie zur Anpassung an die Folgen der globalen Erwärmung müssen finanziert werden. Und der Finanzbedarf ist riesig. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen liegt der Bedarf an Klimafinanzierung bis zum Jahr 2050 bei jährlich bis zu 500 Milliarden US-Dollar. Jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Weltgemeinschaft die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius begrenzen kann.

Der Weltklimarat IPCC hat klargemacht: Alleine durch die Reduktion von Emissionen schaffen wir die Klimaziele nicht. Wir müssen voraussichtlich bis zu zehn Gigatonnen CO2 jährlich aus der Atmosphäre entfernen, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen. Das größte Potenzial liegt in der naturbasierten Entfernung und Speicherung von Emissionen, zum Beispiel über großflächige Aufforstung. Weiterhin gibt es technologische, aber noch teure und ineffiziente Lösungen wie zum Beispiel Direct Air Capture.

Ob naturbasierte oder technische Lösungen: Solche Projekte haben als Teil der notwendigen Klimafinanzierung einen enormen Kapitalbedarf. Und eigentlich wäre der freiwillige Zertifikatehandel genau das richtige Instrument, um diesen Kapitalbedarf zu decken. Wäre da nur nicht das verloren gegangene Vertrauen: Es gab zahlreiche Betrugsfälle, die die Glaubwürdigkeit dieses Marktes sehr in Frage stellen. So wurden über die Jahre unter anderem Millionen Zertifikate für Projekte verkauft, die teilweise nicht existierten oder keinen zusätzlichen Nutzen für unser Klima brachten (Tagesspiegel Background berichtete).

Es muss reguliert werden, was als CO2-Entfernung gilt uns was nicht

Zunächst einmal ist unsere Politik gefragt, um verloren gegangenes Vertrauen in den Markt für Klimaschutzprojekte wieder herzustellen. Es braucht einen regulatorischen Rahmen, indem sich die Marktteilnehmer bewegen können. Die EU-Kommission ist beim Thema CO2-Entfernung bereits Vorreiter und hat im vergangenen Jahr einen Vorschlag zur Regulierung von „Carbon Removal“-Maßnahmen (englisch für CO2-Entfernung) vorgelegt.

Unsere Bundesregierung hat dieses Thema lange ignoriert, ja gar torpediert, indem man zum Beispiel die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) durch technologische Lösungen wie Direct Air Capture als ungeeignete und gar riskante Klimalösung einstufte. Glücklicherweise hat sich der Wind hier zwischenzeitlich gedreht und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) spricht nun auch davon, dass wir die Ziele ohne CO2-Entfernung nicht erreichen werden. Dennoch sind die Vorstöße der Politik hier viel zu zögerlich.

Gesetzliche Grundlagen und Fördermöglichkeiten oder steuerliche Anreize für Unternehmen, die in die CO2-Entfernung jeglicher Art investieren möchten, sind quasi nicht vorhanden. Neben gesetzlichen Anreizen braucht es auch mehr Ehrlichkeit über die Entwicklungen im freiwilligen Emissionshandel. Bislang unterscheidet man dort in Zertifikate zur Vermeidung, Reduktion und Entfernung von Emissionen. Gerade Zertifikate zur Finanzierung von Vermeidung und Reduktion helfen unserem Klima jedoch am wenigsten, obwohl sie derzeit den größten Marktanteil besitzen.

Wenn ich in Afrika Kochöfen zur Reduzierung von Emissionen aufstelle, ist das grundsätzlich eine gute Idee – vor allem für die Gesundheit der Menschen. Die Messbarkeit und der Nutzen für unser Klima sind jedoch fragwürdig. Die Reduktion von Emissionen muss deshalb in erster Linie von den großen Verursachern selbst eingeleitet werden. Also unter anderem von Energieversorgern, von der Industrie, vom Verkehrs- und Gebäudesektor.

Von der Kompensation zur langfristigen Klimafinanzierung

CO2-Zertifikate werden von Unternehmen außerdem nach wie vor als Möglichkeit zum kurzfristigen Ausgleich nicht vermeidbarer Emissionen gesehen. Das Ergebnis sind fragwürdige und glücklicherweise ab 2026 durch die EU-Kommission verbotene Versprechen einer nicht vorhandenen Klimaneutralität. Doch dieses Dilemma ist lösbar, wenn wir gerade die naturbasierte CO2-Entfernung nicht als Kompensationslösung, sondern als Investition in die langfristige Absicherung unserer natürlichen Ressourcen sehen.

Denn wir müssen uns bewusst machen, dass es nicht nur um die Entfernung von Treibhausgasen geht. Mit jedem Aufforstungsprojekt, mit jeder Renaturierung, sichern wir unsere zukünftigen Lebensgrundlagen – zuallererst das, was wir Menschen täglich essen und trinken. Was aus Sicht der Unternehmen bedeutet: Die Lieferketten müssen abgesichert werden.

Wenn wir der Wirtschaft einerseits einen klaren regulatorischen Rahmen geben und andererseits Anreize bieten, um entlang oder auch außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette zum Beispiel Natur und Biodiversität wieder aufzubauen, erreichen wir nicht nur eine sehr effiziente und großflächige Entfernung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, sondern sichern uns auch langfristig den Zugang zu allen wichtigen Ressourcen unseres Planeten. Und zwar im Idealfall ohne diese auszubeuten. Wir müssen wieder zurückkehren zu einem Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen.

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