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Sustainable Finance

Standpunkte Neue Finanzierungsmodelle für Energiewende

Frank Dornseifer, Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments
Frank Dornseifer, Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments

Für die nachhaltige Transformation werden Billionen Euro benötigt. Institutionelle und private Anleger wollen darin investieren. Frank Dornseifer (Foto), Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments, und Andreas Kalusche, Vorstandsmitglied des BAI, erläutern, welche rechtlichen Änderungen dafür nötig sind.

von Frank Dornseifer und Andreas Kalusche

veröffentlicht am 02.05.2024

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„Wie wir heute unsere Infrastrukturen gestalten, entscheidet maßgeblich darüber, wie wir morgen leben.“ So banal dieser Satz aus dem „Infrastrukturatlas“ der Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2020 klingt, so sehr versinnbildlicht er das Dilemma nicht nur in der Debatte über Modernisierung und Ausbau von Infrastruktur in Deutschland, sondern ebenso in Bezug auf die zu bewältigende Energiewende: Zum einen ist der Status Quo aus maroder, überlasteter und unzureichender Infrastruktur die Folge gravierender Investitions- und Modernisierungsdefizite der vergangenen Jahrzehnte; zum anderen hängt der Erfolg der anstehenden nachhaltigen Transformation davon ab, dass massiv investiert und gebaut wird.

Fünf Billionen Euro benötigt

Doch dafür bedarf es gigantischer Finanzmittel. Die KfW beziffert in ihrem Klimabarometer 2023 den Finanzbedarf, um das gesetzlich verankerte Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, auf rund fünf Billionen Euro, was einem jährlichen Investitionsbedarf von durchschnittlich gut 190 Milliarden Euro entspricht – immerhin rund fünf Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts.

Wenig überraschend führt die KfW weiter aus, dass ein Großteil dieser Investitionen – rund 60 Prozent – nicht von der öffentlichen Hand getragen werden kann. Der finanzielle Handlungsspielraum auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene ist massiv eingeschränkt – nicht nur durch die Schuldenbremse. Naheliegend und folgerichtig ist daher die Beteiligung von institutionellen Investoren, also vor allem Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Versorgungswerken und Investmentfonds, und, wenn möglich, auch von Privatanlegern.

Wie aber kann ein solches kooperatives Investitionsmodell, in dem die öffentliche Hand und private Kapitalgeber den Infrastrukturausbau und die nachhaltige Transformation in Deutschland finanzieren, aussehen?

Wie Staat und Private gemeinsam investieren können

Bereits 2016 hatte eine beim damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angesiedelte Expertengruppe ein Konzept für eine private Finanzierung kommunaler Infrastrukturprojekte entworfen, bestehend aus:

  • erstens einer Vermittlungsplattform („staatliche Infrastrukturgesellschaft“), die durch Bündelung und Standardisierung von Projekten zu einer deutlichen Absenkung der Transaktionskosten führt;
  • zweitens einer geeigneten Governance-Struktur für die Durchführung der Projekte innerhalb eines „Bündels“, die eine effektive Risikoübertragung ermöglicht, der öffentlichen Hand Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten einräumt und mögliche Informationsasymmetrien und Interessenskonflikte abbaut;
  • drittens einem geeigneten Fondsvehikel, das Eigenkapital einbindet und dabei gleichzeitig der Langfristigkeit und Illiquidität von Infrastrukturinvestitionen sowie dem schrittweisen Aufbau eines Projektpools Rechnung trägt.

Leider wurde dieses Konzept nicht weiterverfolgt.

Ähnliches Konzept des Sustainable-Finance-Beirats

Angesichts der immensen und drängenden Herausforderungen durch die nachhaltige Transformation hat jüngst auch der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung in seinem Diskussionspapier zum Ausbau nachhaltiger Infrastruktur eigene Vorschläge für die Mobilisierung privaten Kapitals vorgestellt. Auch hier geht es um die Diversifizierung der Finanzierungsquellen und ein starkes Engagement privater Investoren, gerade im Hinblick auf eine Angebotslücke im Bereich Eigenkapitalfinanzierung bei kommunaler (beziehungsweise Staatlicher) Infrastruktur.

Für die konkrete Umsetzung werden neben der Bündelung von Kommunalkrediten die Nutzung von Fondsstrukturen, aber auch die Errichtung von Infrastrukturdachgesellschaften mit oder ohne öffentliche Beteiligung vorgeschlagen. Im Hinblick auf die Umsetzung und Strukturierung der Bündelungsoptionen (Infrastrukturgesellschaft in Kombination mit Fondsstrukturen) gibt es also gewisse Ähnlichkeiten zu dem damaligen Konzept der BMWI-Expertengruppe.

Es klingt also nach einer Win-win-Situation: Die Energiewende erfordert Unsummen an Finanzmitteln, gleichzeitig wollen und müssen private und institutionelle Anleger sehr große Anlagebeträge nachhaltig investieren. Bereits heute verwalten spezialisierte Infrastrukturfonds weltweit rund 1,5 Billionen US-Dollar und Infrastruktur ist eine Anlageklasse, die seit Jahren boomt. Ausweislich des BAI Investor Surveys erhöhen institutionelle Investoren Jahr für Jahr ihre Allokation in diesem Segment spürbar. Das gilt insbesondere für das Sub-Segment erneuerbare Energien.

Inflationsschutz, laufende Ausschüttungen und nachhaltig

Immer mehr Investoren suchen nach sicheren Kapitalanlagen mit Renditepotential, die zudem Inflationsschutz bieten und laufende Ausschüttungen ermöglichen. Aber auch unter Nachhaltigkeitsaspekten kann gerade die Anlageklasse Infrastruktur punkten und viele Investoren, die mittlerweile eine dezidierte Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen, investieren daher in großem Umfang in die nachhaltige Transformation. Die Zielsetzung des European Green Deals, Kapitalströme in nachhaltige Anlagegegenstände/Wirtschaftsaktivitäten zu lenken, ist unumkehrbar.

Wenn langfristig orientierte Fonds gemeinsam mit der öffentlichen Hand investieren, erleichtert die gleiche Interessenlage die Abstimmung innerhalb der Infrastrukturgesellschaft. Das Kapital, welches die öffentliche Hand bereitstellt, würde einen Fonds anschieben können und dann zusätzliches privates Geld anziehen. Genau dieses Modell verfolgt auch der European Investment Fund (EIF) auf europäischer Ebene und die KfW Capital auf nationaler Ebene. Beides sind Erfolgsmodelle, die als Modell für die Finanzierung der nachhaltigen Transformation dienen könnten.

Damit die deutsche Fondsbranche die sowohl von der BMWI-Expertengruppe also auch vom Sustainable Finance-Beirat angedachte zentrale Finanzierungsfunktion in diesem Konzept übernehmen kann, sind allerdings gezielte gesetztliche/regulatorische Anpassungen erforderlich. Der im letzten Jahr von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes enthielt bereits derartige Änderungen im Fondsaufsichtsrecht, damit deutsche Investmentfonds verstärkt in Anlagen, die zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung von Strom, Gas oder Wärme aus erneuerbaren Energien bestimmt und geeignet sind, investieren können.

Steuer- und Fondsrecht synchron ändern

Explizit hieß es dort in der Gesetzesbegründung mit Verweis auf die von der Bundesregierung angestrebte Energiewende, dass Immobilien- und Infrastrukturfonds „einen größeren Beitrag zur Energiewende leisten sollen“. Weiter wurden Investitionen „in nahezu beispiellosem Umfang“ benannt, die erforderlich sind, nicht nur, um „Wohlstand zu sichern, sondern auch, um Gesellschaft und Wirtschaft zügig auf Digitalisierung und Klimaschutz einzustellen“. Es fehlte in dem Gesetz allerdings die zwingend erforderliche steuerrechtliche Flankierung dieser Investitionstätigkeiten, so dass am Ende genau dieses Finanzierungselement durch private institutionelle Gelder wieder gestrichen wurde. Auch mit dem Wachstumschancengesetz konnte kein konsistenter Ansatz von Aufsichts- und Steuerrecht für Fondsinvestments im Bereich Infrastruktur/erneuerbare Energien erreicht werden, so dass auch die zweite Chance leider vertan wurde.

Was ist also zu tun? Um alternativen Investmentfonds bei den unterschiedlichen Bündelungsoptionen zur Finanzierung der nachhaltigen Transformation eine zentrale Rolle und Kompetenz zuzuweisen, müssen (Investment-) Steuerrecht und Fondsaufsichtsrecht synchron geändert werden. Den erweiterten Anlagemöglichkeiten im Bereich erneuerbare Energien muss Rechnung getragen werden, ohne dass diese steuerlich sanktioniert werden und gar ein Verlust des steuerlichen Status als vermögensverwaltender Fonds droht. Hier muss vor allem auch die Wettbewerbssituation mit anderen Fondsdomizilen im Auge behalten werden. Es wäre kontraproduktiv, wenn am Ende keine deutschen Fondsstrukturen für die Finanzierung der Energiewende in Deutschland genutzt werden.

In diesem Zusammenhang müssen auch die gesetzlichen Vorgaben in der – mittlerweile in die Jahre gekommenen – Anlageverordnung für die Investmentaktivitäten von Pensionskassen, Sterbekassen und kleinen Versicherungsunternehmen modernisiert werden; idealerweise verbunden mit einer eigenen und ausreichenden Höchstquote für Infrastrukturanlagen, beispielsweise zehn Prozent, etwa nach dem Vorbild der Regelung für Versorgungswerke in Nordrhein-Westfalen. Nur wenn es gelingt, aus einem regulatorischen Guss Investition in Infrastruktur rechtssicher und vor allem praxisgerecht auszugestalten, kann dadurch auch Altersvorsorgekapital für die Finanzierung der nachhaltigen Transformation und den Ausbau und die Erneuerung von Infrastruktur mobilisiert werden, wodurch gleichzeitig auch die private Altersvorsorge in Deutschland gestärkt würde.

Nach zwei erfolglosen Versuchen beim Zukunftsfinanzierungsgesetz und dem Wachstumschancengesetz ruhen nun alle Erwartungen auf dem Jahressteuergesetz 2024, mit dem dieser Komplex erneut adressiert werden soll. Eine Win-win-Situation bei der Finanzierung der nachhaltigen Transformation ist also zum Greifen nah. Die Energiewende ist zu wichtig, als dass auf die – deutsche – Fondsbranche und die dahinterstehenden Anleger verzichtet werden kann.

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