Wenn selbst die einer Nähe zu „Fridays for Future“ unverdächtige schweizerische „Handelszeitung“ titelt: „Krypto gegen Klima – Der Bitcoin ist eine Umweltsau“, dann merken auch konservative Investoren auf. Und tatsächlich: Der Energieaufwand für die Rechenzentren, die Computerleistungen für Blockchain-Technologien erbringen, ist auf den ersten Blick enorm. So schätzt das Cambridge Center for Alternative Finance, dass das jährliche Schürfen, das sogenannte „Mining“ von Bitcoin im Jahr 2019 dem Gesamt-Energieverbrauch Schwedens entsprach.
Doch diese Zahlen relativieren sich stark, wenn man die langfristigen Perspektiven betrachtet. Vier Argumente zeigen, dass die Behauptung, die für Krypto-Assets eingesetzte Blockchain-Technologie beschleunige die Erderwärmung, nicht haltbar ist – und zudem, im Gegenteil, das Klima von ihrem Einsatz sogar profitieren kann.
Erstens: Verglichen mit dem Energieverbrauch des traditionellen Bankensektors oder auch des Goldbergbaus, schneidet das Bitcoin-Netzwerk beim CO2-Fußabdruck gut ab. Laut Berechnungen von ARK Invest Management LLC aus dem vergangenen Jahr beträgt die Ersparnis bei der Bitcoin-Herstellung im Vergleich zu den Energieverbräuchen von Banken zehn Prozent, im Vergleich zur Goldgewinnung liegt der Vorteil sogar bei 40 Prozent. Im Asset Management stellen Analysen der Blockchain ebenfalls ein positives Zeugnis aus: Der „Proof-of-Stake consensus mechanism“ ist bei weitem der energieeffizienteste und weist gegenüber allen anderen Kommunikationsmodi und Asset-Transfer-Methoden die geringsten CO2-Emissionen auf.
Zweitens: Der nötige Energieaufwand ist verlässlicher und einfacher zu berechnen – denn die Daten sind auf der Blockchain zu 100 Prozent zugänglich und unveränderbar. Die zugrundeliegende Technologie lässt strukturell keine Manipulationen zu, wie sie bei CO2-Messungen in anderen Industrien immer wieder versucht worden sind.
Drittens: Es ist unbestritten, dass sich die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen mittelfristig auf dem Rückzug befindet. Gerade in den Staaten, in denen Unternehmen bereits Blockchain-Technologie einsetzen, gibt es einen zwar nicht eindeutigen, aber zunehmend akzeptierten Mehrheitskonsens für einen Wechsel der Stromerzeugung hin zu grünen Energiequellen. Schon heute bemühen sich viele Akteure des Bitcoin-Netzwerks, Strom aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Die Schätzungen für den aktuellen Grünstrom-Anteil schwanken zwischen 55 und 65 Prozent.
Viertens: Die Branche unternimmt erhebliche Anstrengungen, um ihren Energieverbrauch, ungeachtet der Herkunft des Stroms, radikal zu senken. So wird der Bitcoin-Konkurrent Ethereum in den kommenden Monaten den Übergang vom Proof-of-Work- (POW) zum sogenannten Proof-of-Stake (POS)-System absolvieren. Die beiden Begriffe bezeichnen unterschiedliche Verfahren, mit denen Transaktionen im Netzwerk der Kryptowährungen abgesichert werden: POS ist das neuere Verfahren, bei dem so gut wie keine Rechnerleistung eingesetzt wird. Kürzlich äußerte sich die Ethereum Foundation zuversichtlich, durch diesen Wechsel den Energieverbrauch um 99 Prozent gegenüber heute reduzieren zu können. Künftige Blockchain-Plattformen werden den Proof-of-Stake oder andere Konsensmechanismen nutzen, um die Energieverbräuche der Blockchain-Anwendungen zu senken.
Die Proof-of-Stake-Blockchain, als Basis für die Tokenökonomie und damit Grundlage für ein neues Internet, wird sich außer ihrem Beitrag für den Klimaschutz auch mit Blick auf Sicherheit, Handhabbarkeit, Skalierbarkeit und Breite des Einsatzspektrums durchsetzen – als Infrastruktur, die wir für jeden Industriesektor nutzen können. Ob im Bereich autonomes Fahren, für selbstladende Fahrzeuge, für den Nachweis eindeutiger Lieferketten oder bei der temperatursensiblen Lagerung von Produkten: Die damit verbundenen Prozesse werden einfacher, günstiger und zugleich sicherer als in bestehenden Systemen. Übrigens: Wo kein Papier mehr verbraucht wird, und damit Abfälle vermieden werden, ist der Ökologie auch jenseits des CO2-Verbrauchs geholfen.
Die Blockchain als „ESG-Buchhalterin“
Aber auch als Wächterin über den Nachhaltigkeitsgehalt von Transaktionen und Produkten im Finanzsektor wird der Beitrag der Blockchain unverzichtbar sein. Wir stehen am Beginn einer Entwicklung, die sich beschleunigen wird – und ich erwarte, dass sich einige der Anwendungsmöglichkeiten, die schon das Weltwirtschaftsforum in Davos diskutierte, in handfeste Geschäftsmodelle verwandeln.
Damit werden die bisher vor allem theoretische Anreize zu ganz praktischen Produkten. Die Proof-of-Chain-Blockchain wird – verschränkt mit Anwendungen der Künstlichen Intelligenz und dem Internet of Things – dazu beitragen, Nachhaltigkeitskriterien in der Finanzbranche durchzusetzen. Schließlich erlaubt die Technologie dahinter, als ‚Buchhalterin‘ angelieferte ESG-Daten automatisch auf Validität zu überprüfen und damit Transparenz in den Nachhaltigkeitsgehalt von Finanztransaktionen zu bringen.
Ob als Beitrag zur Transaktionssicherheit, zum Klimaschutz, ob durch geteilten und damit in Summe geringeren Ressourcenverbrauch oder als Unterstützung für Sustainable Finance – es ist das dezentrale System, das die Blockchain so interessant und vielseitig macht. Kein Zweifel, diese Technologie wird unsere Zukunft mitprägen.
Katharina Gehra ist CEO und Co-Gründerin des Start-ups Immutable Insight Capital Management, das Analysen durchführt und Blockchain-Fonds entwickelt.