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Sustainable Finance

Standpunkte Warum Digitalunternehmen an der EU-Taxonomie scheitern

Claudia Viehweger, Chief People & Sustainability Officer, Scout24 SE
Claudia Viehweger, Chief People & Sustainability Officer, Scout24 SE Foto: Scout24 SE

Der Green Deal der EU soll unsere Wirtschaft transformieren. Für das Ziel der Klimaneutralität wurden Initiativen und Regulierungen geschaffen, die Unternehmen vor einen Berg an Arbeit stellen. So richtig und wichtig diese Ansätze auch sind: Besonders aus Sicht der Digitalbranche bestehe dringender Reformbedarf, erklärt die Personal- und Nachhaltigkeitschefin von Scout24 („ImmoScout24“), Claudia Viehweger. Denn trotz „extremen Aufwands“ sei die ökologische Taxonomiekonformität kaum zu erreichen.

von Claudia Viehweger

veröffentlicht am 31.08.2023

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Auch im mittlerweile dritten Jahr ringen Digitalunternehmen mit den ökologischen Taxonomievorgaben. Sie sind kaum anwendbar, ebenso wenig praktisch umsetzbar und haben eine schlechte Kosten-Nutzen-Bilanz. Die Taxonomie ist ein rechtsverbindliches Klassifizierungssystem, das festlegt, welche Wirtschaftsaktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Dadurch sollen sie dem Kapitalmarkt Orientierung geben und nachhaltige Investments attraktiver machen.

Doch wie sieht die Realität bei Digitalunternehmen aus? Bei Unternehmen, die nicht produzieren? Bei Unternehmen, die keinen gigantischen Energiebedarf haben? Die keine schweren Maschinen bewegen? Mehrere Seiten Nullmeldungen. Damit werden diese Wirtschaftsaktivitäten als nicht taxonomiekonform eingeordnet.

Nicht nachhaltig trotz geringem Klimafußabdruck

Bei Scout24 haben wir den CO2-Äquivalente-Fußabdruck seit 2018 um zirka 75 Prozent gesenkt. Wir haben eine strenge Mobilitätsrichtlinie, unsere Datenzentren sind in die effizientere Cloud umgezogen, unsere Dienstwagen wurden auf eine E-Flotte umgestellt und wir haben an allen Standorten auf Ökostrom umgestellt.

Auch für die Zukunft hat Scout24 sich im Energie- und Klimabereich ambitionierte Ziele gesetzt und will bis 2045 Net Zero erreichen. Damit weist Scout24 bereits jetzt einen vergleichsweise geringen CO2-Fußabdruck von nur rund 1500 Tonnen pro Jahr aus. Trotzdem gelten unsere Wirtschaftsaktivitäten nicht als ökologisch nachhaltig, weil diese Tätigkeiten nicht in der EU-Taxonomie abgebildet sind.

Externes Rollgeräusch der Reifen entscheidend

Auch gibt es zum Teil absurde Vorgaben: So ist es nicht nachvollziehbar, warum der emissionsfreie Elektro-Dienstwagen aus der Konformitätsprüfung fällt, weil das externe Rollgeräusch der Reifen den zulässigen Höchstwert überschreitet. Insgesamt entsteht hier ein falsches Bild für die Digitalbranche, die im Jahr 2021 laut Bundeswirtschaftsministerium bereits 5,4 Prozent der deutschen Gesamtwirtschaftsleistung ausmachte. Trotz nachweisbarer und wirksamer Anstrengungen im ESG-Bereich haben Unternehmen wie Scout24 kaum eine Chance auf eine ökologisch taxonomiekonforme, faire Bewertung ihres nachhaltigen Handelns. Das ist nicht akzeptabel.

Es gibt aber auch Hoffnung. Dass neue Regulierungen auch echten Mehrwert schaffen können, zeigt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Sie regelt die verpflichtende Berichterstattung nicht-finanzieller Kennzahlen neu. Eingebettet in die Ziele des EU Green Deal geht es um mehr Standardisierung, mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der Informationen, die Unternehmen zu ihrem Engagement für die Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung herausgeben.

Regulierungen sind kein Selbstzweck

Auch die CSRD bedeutet für viele Unternehmen ebenfalls einen Berg an Arbeit. Diese Kraft ist jedoch sinnvoll investiert, da erstmals Unternehmensdaten zum Nachhaltigkeitsmanagement systematisch erhoben und damit vergleichbar werden. Ein echter Zugewinn an Transparenz und Nachvollziehbarkeit.

Es bleibt abzuwarten, wie die CSRD und die EU-Taxonomie in Zukunft tatsächlich auf die Ziele des EU Green Deal einzahlen werden. Jede Regulierung ist eine Chance, das Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen frühzeitig auf den Prüfstand zu stellen und weiterzuentwickeln. Dabei darf jedoch nicht in den Hintergrund geraten, dass unser gemeinsames Ziel ist, die globale Erderwärmung einzudämmen.

Die Regulierungen sind kein Selbstzweck. Sie müssen das gesamte Spektrum der Wirtschaft berücksichtigen und den positiven Effekt auf unser Klima belohnen. Wenn das gelingt, wird auch die enorme Leistung digitaler Unternehmen sichtbar.

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