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Sustainable Finance

Standpunkte Was der Krieg für Nachhaltigkeit bedeutet

Maria Elena Drew, Direktorin für Research und Verantwortliches Investieren beim Vermögensverwalter T. Rowe Price
Maria Elena Drew, Direktorin für Research und Verantwortliches Investieren beim Vermögensverwalter T. Rowe Price Foto: T. Rowe Price

Der Angriff auf die Ukraine wird langfristige Auswirkungen auf die Investmentbranche haben. Das schließt auch den Bereich Umwelt, Soziales und Governance (ESG) ein. Investitionsbeschränkungen und eine Beschleunigung der Energiewende könnten insbesondere in Europa weitreichende Effekte haben, meint Maria Elena Drew, Direktorin für Research und Verantwortliches Investieren beim Vermögensverwalter T. Rowe Price.

von Maria Elena Drew

veröffentlicht am 10.03.2022

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Die Besorgnis über Menschenrechtsverletzungen könnte dazu führen, dass über die bereits bestehenden Sanktionen hinaus bestimmte Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt werden. Insbesondere Unternehmen, die als direkte Unterstützer der Invasion oder als eng mit ihr verbunden gelten, könnten in ESG-verhaltensbasierte Ausschlusslisten aufgenommen werden. Darüber hinaus wären auch Unternehmen betroffen, die die russische Regierung finanzieren oder unterstützen, zum Beispiel Unternehmen, die Militärausrüstung verkaufen, in der Öl- und Gasindustrie oder der Gewinnung anderer Rohstoffe tätig sind. Diese Liste mag recht lang sein, aber es ist wahrscheinlich, dass sie sich mit den Sanktionslisten der Regierungen erheblich überschneiden wird.

In Europa sehen wir neben den von der Regierung verhängten Sanktionen bereits, dass Unternehmen mit russischen Vermögenswerten schnelle Entscheidungen treffen. So hat BP bekannt gegeben, dass es seine Beteiligung an Rosneft aufgeben wird. Zudem hat Shell angekündigt, dass es sich aus Joint Ventures mit Gazprom und anderen verbundenen Unternehmen zurückziehen wird.

Der Investment-Management-Bereich der norwegischen Zentralbank, der den Staatsfonds des Landes in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar verwaltet, hat ebenfalls schnell gehandelt. Norges Bank Investment Management kündigte am Sonntag nach dem Einmarsch in die Ukraine an, alle Investitionen in Russland einzufrieren. Die Norges Bank ist eine führende Stimme im ESG-Bereich, so dass ihre Haltung ein wichtiger Wegweiser für den Rest des Marktes sein wird.

Beschleunigung der Energiewende

Auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, könnte dieser Konflikt zu einer Beschleunigung der Energiewende, insbesondere in Europa, beitragen. Dies ist auch für Anlageentscheidungen von Investorinnen und Investorinnen von Bedeutung. Die Stabilität von Energiesystemen hängt von drei Kriterien ab, die als Energie-Trilemma bekannt sind: Erstens Versorgungssicherheit, zweitens Kosten und drittens Umweltauswirkungen. Die Kriterien eins und zwei waren bisher Argumente für die Aufrechterhaltung der Öl- und Gasversorgung. Die Entscheidung Russlands, in die Ukraine einzumarschieren, hat dies nun auf den Kopf gestellt.

Der jüngste Anstieg der Öl- und Gaspreise mag zwar nur von kurzer Dauer sein, die Sorge um die Versorgungssicherheit ist es jedoch nicht. Auf Russland entfallen zwölf Prozent der weltweiten Ölproduktion und 18 Prozent der weltweiten Erdgasproduktion. Aufgrund ihrer geographischen Nähe ist die Abhängigkeit der EU von russischen Öl- und Gaslieferungen noch weitaus größer. Im Jahr 2020 gingen über die Hälfte der russischen Erdölexporte und etwa 85 Prozent der Erdgasexporte nach Europa.

Wir sind der Meinung, dass dieser Preisschock und die Angst vor der Versorgungssicherheit aus Russland das Vorankommen des Green Deals der EU möglicherweise erleichtert haben. Interessanterweise gehören zu den EU-Ländern, die sich am stärksten gegen die Verabschiedung des Abkommens gewehrt haben, auch einige der Länder, die gegenüber Russland am anfälligsten sind.

Investitionen in Erneuerbare und Energieeffizienz

Es ist sehr schwierig, die Energieversorgung schnell anzupassen, ohne dass höhere Kosten entstehen und die Wirtschaft leidet. Allerdings ist die EU dafür heute viel besser positioniert, da kostengünstigere Alternativen zu fossilen Brennstoffen verfügbar sind, der Energieverbrauch innovativer geworden ist und Bedenken bestehen, dass die Abhängigkeit von ausländischer Energie als Druckmittel eingesetzt werden könnte.

All dies führt dazu, dass die Europäische Union einen weiteren triftigen Grund hat, die Energiewende energischer und schneller voranzutreiben. Das bedeutet Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz (darunter intelligente Geräte und umweltfreundliche Gebäude), Elektrifizierung sowie andere Verfahren, die die Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas verringern können.

Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sehen wir bereits, dass einige Länder ihre Strategie zur Verringerung der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas neu überdenken. Die deutsche Regierung hatte sich beispielsweise gegen die Aufnahme der Kernenergie als Übergangsbrennstoff in die EU-Taxonomie ausgesprochen, doch die jüngsten Ereignisse könnten sie dazu veranlasst haben, ihren Standpunkt zu überdenken. Die Verlängerung der Laufzeit bestehender Kernkraftwerke ist eine der mögliche Optionen, um die Abhängigkeit Europas von russischem Gas zu verringern.

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