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Werkstattbericht OZG 2.0: Und täglich grüßt das Murmeltier?

Lena Sargalski schreibt über Strategie & Change Management.
Lena Sargalski schreibt über Strategie & Change Management. Foto: Bad Salzuflen

Mit dem Update des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0) haben die Kommunen in nächster Zeit viel zu tun. Doch die Voraussetzungen haben sich verändert, schreibt Lena Sargalski in ihrem Werkstattbericht. Denn in der Zwischenzeit haben sie digitales Knowhow aufgebaut und damit die Fähigkeit, viele Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

von Lena Sargalski

veröffentlicht am 06.03.2024

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Die Bundesregierung beschließt das Onlinezugangsgesetz 2.0, das erfahre ich während meiner Urlaubsreise durch Vietnam. In einem Land, wo ich permanent 4G-Empfang habe, ein eigenes Bankkonto binnen weniger Klicks an einem Live-Automaten eröffnen kann und die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen selbstverständlich mit einer Smartphone-App funktioniert. Beim Lesen der Nachricht aus Deutschland ertönt in meinem Kopf ungewollt der Refrain von Roland Kaisers „Ich glaub es geht schon wieder los“.

„Nur“ 15 Monate nach Ablauf der Frist des Onlinezugangsgesetzes (OZG) steht mit Beschluss der Bundesregierung eine gesetzliche Neuauflage in den Startlöchern. Es scheint, als ob sich das Rad erneut zu drehen beginnt, aber diesmal mit einem entscheidenden Unterschied: Die Kommunen haben Zeit gehabt, aus den Erfahrungen mit dem OZG zu lernen und wappnen sich mit den gewonnenen Erkenntnissen für den weiteren Ausbau der digitalen Verwaltung.

Zunächst sei positiv hervorgehoben, dass das OZG zweifellos einen Schub für die digitale Transformation in den Kommunen gebracht hat, indem aus eigener Kraft vielerorts Ressourcen in Form von Personal und Finanzen für die Umsetzung bereitgestellt wurden. Vor allem ist durch die gesetzliche Entwicklung ein neuer Raum entstanden, in dem Verwaltung, Politik und IT-Dienstleister für bessere digitale Angebote und Dienstleistungen sensibilisiert wurden. Zumindest bezogen auf die Region Ostwestfalen-Lippe kann ich rückblickend sagen, dass der Großteil der 73 Kommunen Digitalisierungsbeauftragte benannt und organisatorischen Strukturen zur Sicherstellung der OZG-Umsetzung geschaffen hat.

Lösungen auf Landesebene müssen Arbeit für Kommunen vereinfachen

Über die Jahre ist bei uns die Erkenntnis gereift, dass nicht zwangsläufig ein einzelnes Portal für alle Dienstleistungen die Lösung ist, sondern die Integration und sinnvolle Verknüpfung verschiedener Dienste und Plattformen zum Ziel führt. Entscheidend ist dabei die Auffindbarkeit in Suchmaschinen sowie die Bekanntheit und Nutzerfreundlichkeit eines Onlineservices. Denn Bürger*innen und Unternehmen stöbern nicht aus Langeweile auf den bundes- oder landesweiten Portalen und auch nicht auf der kommunalen Homepage. Sie suchen im World Wide Web und erwarten, dass ihnen der richtige Treffer an oberster Stelle angezeigt wird. Dies erfordert auf der kommunalen Seite aktuelle sowie qualitativ hochwertig aufbereitete Dienstleistungen, die zutreffend für Suchmaschinen vertaggt sind. Alleine diese Daten in Zusammenarbeit mit den Bereichen aufzuarbeiten, ist eine große Herausforderung und nimmt viel Zeit in Anspruch. Standards und Beispiele können helfen, die Beschreibungen zu vereinheitlichen.

Die kommunale Welt ist ein großer Gemischtwarenladen von klassischen bis hin zu kommunalspezifischen Leistungen. Alleine in Bad Salzuflen haben wir knapp 35 verschiedene Organisationseinheiten, und jede Organisationseinheit möchte im Sinne der Servicequalität gute digitale Angebote und Dienstleistungen für die Stadtgesellschaft erbringen. Das OZG kann zwar durch eine Task Force oder einen Stab koordiniert werden, die Umsetzung erfolgt aber immer in den zuständigen Dienststellen – und diese müssen, genauso wie die Verwaltungsspitzen, permanent mit einbezogen und auch über aktuelle Entwicklungen informiert werden – wie die zum OZG 2.0.

Durch unser etabliertes Prozessmanagement haben wir in Bad Salzuflen von Anfang an eine Ende-zu-Ende-Betrachtung vorgenommen – losgelöst von der Frage, ob es sich um eine Bundes-, Landes- oder Kommunalleistung handelt. Wir hinterfragen mit dieser Maßnahme bestehende Abläufe kritisch und passen sie an, um den Bedürfnissen der Bürger*innen und Unternehmen besser gerecht zu werden. Als herausfordernd stellt sich dar, wenn digital und zentral einzusetzende Landeslösungen – wie der Untersuchungsberechtigungsschein in Nordrhein-Westfalen – bei der Bearbeitung auf der kommunalen Seite nicht zu einer Erleichterung bei den Mitarbeitenden führt, sondern Arbeitsschritte hinzukommen. Statt Gesetze aus der analogen Zeit neu aufzusetzen und 1:1 in die digitale Welt zu übertragen, sollte öfter und konsequenter über eine Abschaffung von bestehenden gesetzlichen Regelungen diskutiert werden.

Kommunen haben eigenen Gestaltungsspielraum

Umso wichtiger ist eine gute Kommunikationskampagne, damit Bürger*innen in der Tat dafür sensibilisiert werden, vor dem Besuch auf dem Amt zu prüfen, ob es einen funktionsfähigen Onlinedienst gibt. Beim Untersuchungsberechtigungsschein ist es aus meiner Sicht daher sinnvoll, vor allem Ausbildungsbetriebe über den landesweiten Onlinedienst zu informieren, denn diese fordern von ihren minderjährigen Nachwuchskräften eine Bescheinigung ein und verweisen oftmals auf den „Gang zum Amt“. Zielgerichtete Kampagnen können aber nicht aus der alleinigen kommunalen Kraft betrieben werden, besonders nicht bei bundes- und landesweiten Angeboten.

Trotz der aktuellen Entwicklungen auf Bundesebene zeigt sich, dass vor allem Kommunen einen Gestaltungsspielraum bei der Etablierung einer digitalen Verwaltung vor Ort haben und ihre eigenen Prioritäten setzen können – wenn die finanziellen, personellen, technischen, organisationellen und kulturellen Faktoren stimmen. Beispielsweise können Kommunen für den internen Dienstbetrieb ein „Digital First“-Prinzip verankern und so Umlaufmappen in Papier und Unterschriften abschaffen. Gleiches gilt im Bereich der Satzungshoheit, hier könnte flächendeckend dasselbe Prinzip verankert werden.

Etablierte Angebote hinterfragen und verbessern

Doch die demografischen Entwicklungen machen mir Sorgen. Erstens brauchen wir mehr innovative Köpfe in der öffentlichen Verwaltung und zweitens müssen wir sie auch halten, was die schwierigere Aufgabe in Zeiten des stark umkämpften Arbeitsmarktes im Digitalsektor ist. Selbst wenn uns das gelingen würde, müssen sich Kommunen künftig zwangsläufig stärker mit automatisierten Prozessen und KI-gestützten Experimentierräumen bei der digitalen Verwaltung auseinandersetzen. Und nicht zuletzt sollten wir auch einen Fokus darauf legen, wie etablierte Angebote hinterfragt und kontinuierlich verbessert werden. Wie wäre es beispielsweise mit einer standardmäßigen Feedbackfunktion nach Inanspruchnahme einer digitalen Dienstleistung, so wie es mir Google auch vorschlägt, wenn ich in Vietnam in einem Restaurant essen war?

Keine Überraschung: es gibt noch viel auf der kommunalen Ebene zu tun und die Zukunft sieht nicht allzu blumig aus. Die To-Do-Liste scheint auch mit der Neuauflage OZG 2.0 nicht kürzer zu werden, aber wir müssen uns nicht schmollend in die Ecke stellen. Es besteht für uns Kommunen die Möglichkeit, die Dinge unter gewissen Voraussetzungen selbst zu gestalten. Und dabei hilft uns in Zukunft sicherlich der eigens entwickelte OZG-Instinkt, auf den wir vertrauen können.

Lena Sargalski arbeitet als Chief Digital Officer bei der Stadtverwaltung Bad Salzuflen in Ostwestfalen-Lippe. Seit Januar 2024 leitet sie kommissarisch den Stab Strategie, Innovation und Digitalisierung. Neben den Aufgabenbereichen Strategieentwicklung, interne Digitalisierung und interkommunale Zusammenarbeit liegt ein Fokus auf der aktiven Ausgestaltung des digitalen Wandels in der Stadtgesellschaft. Von ihr bisher in dieser Rubrik erschienen: Von ihr bisher in dieser Rubrik erschienen: „Auf die Haltung kommt es an“, „Mehr Mutausbrüche in der Verwaltung“, „Think smart: Silos aufbrechen, aber wie?“Digitale Kompetenzen brauchen Training“ sowie „Gesucht: Influencer für die digitale Verwaltung“.

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