Erweiterte Suche

Smart City

Werkstattbericht Wie das Linzer Pilotprojekt zum digitalen Bauverfahren funktioniert

Ulrike Huemer berichtet aus dem kommunalen Alltag der Stadt Linz
Ulrike Huemer berichtet aus dem kommunalen Alltag der Stadt Linz Foto: Lukas Beck

In Linz werden Bauverfahren digitalisiert, um die Prozesse effizienter, transparenter und einfacher zu machen. Davon sollen neben den zuständigen Behörden auch die Bürger:innen und anderen Stakeholder profitieren. Wie das Pilotprojekt abläuft, berichtet Ulrike Huemer im Werkstattbericht.

von Ulrike Huemer

veröffentlicht am 05.06.2024

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Das Zitat des österreichischen Komponisten Anton Bruckner „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen“ könnte die Digitalisierung des Bauverfahrens nicht besser umschreiben. Im Rahmen des strategischen Programms „Digitales Linz“ arbeitet die Stadt Linz gemeinsam mit der Wirtschaft und der Forschung daran, die Digitalisierung voranzutreiben. Ein bedeutender Schritt in diesem Programm ist das „Digitale Bauverfahren“.

Das Projekt befindet sich seit Anfang April im Pilotbetrieb, wo das Konzept anhand fünf echter Bauprojekte unterschiedlicher Ausprägung auf seine Praxistauglichkeit getestet wird. In Zukunft soll das Bauverfahren innerhalb des Magistrats komplett in einem digitalen Akt abgewickelt werden.

Die Ziele des digitalen Bauverfahrens

Die Zielsetzungen für die Digitalisierung im Bauwesen sind weitreichend: Es wird angestrebt, dass Baueinreichungen und die gesamte Abwicklung eines Bauverfahrens von der Antragsstellung bis zur Genehmigung durchgehend digital erfolgen können.

Strategische Ziele:

  • Ein modernes, innovatives digitales Service wird für Bürger:innen und Wirtschaft der Stadt Linz etabliert und damit ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie geleistet.
  • Durch die Automatisierung und Digitalisierung des Bauverfahrens wird eine effizientere Abwicklung für alle beteiligten Mitarbeiter:innen ermöglicht und die damit verbundenen Chancen zur Arbeitserleichterung und -attraktivierung genützt.
  • Durch den Einsatz von professionellem Prozessmanagement wird die Implementierung transparenter Prozesse, die sowohl digitale als auch analoge Verfahrenseinreichungen abwickeln und im Einklang mit den neuen Arbeitsweisen der Fachbereiche stehen, sichergestellt.
  • Alle notwendigen Entwicklungsmaßnahmen werden umgesetzt und der digitale Wandel ist in der Organisationsstruktur und in der Organisationskultur sichtbar.
  • Zukünftige Möglichkeiten für eine Harmonisierung und Integration mit anderen digitalen städtebaulichen Instrumenten, wie etwa mit dem 3D-Stadtmodell oder mit dem digitalen Zwilling, werden berücksichtigt.
  • Durch die Reduktion von analogen Medien (Pläne, Schriftstücke, etc.) sowie von Vor-Ort-Gesprächen werden Potenziale im Bereich der Nachhaltigkeit (Papierreduktion, geringeres Verkehrsaufkommen, etc.) ausgeschöpft.

Nutzen für Bürger:innen:

  • Vereinfachung des Verfahrens durch Digitalisierung (kein Behördengang mehr; erleichtertes Einreichverfahren)
  • Schnelle und vollständige Antragseinreichung ermöglichen via Online-Einreichformular samt Pflichtfeldern
  • Erweiterte Informations- und Beratungsmöglichkeiten für Bürger:innen auch in digitaler Form

Jährlich gehen bei der Baubehörde des Magistrats Linz etwa 1.500 Baueinreichungen ein. Im Wesentlichen werden die Bauverfahren von den beiden Geschäftsbereichen Bau- und Bezirksverwaltung sowie Planung, Technik und Umwelt abgewickelt. Um das Baubewilligungsverfahren durch Digitalisierung zu verbessern, werden die Prozesse mit vielen Formalitäten an die Bedürfnisse der Kund:innen sowie an die Kapazitäten der Stadt Linz als Dienstleisterin, sprich der Baubehörde, angepasst.

Privatpersonen, Bauunternehmen, Architekturbüros oder Wohngesellschaften können in Zukunft ihre Unterlagen digital einreichen. Ein analoger Prozess wird als Übergangslösung beibehalten, doch der Magistrat Linz zielt darauf ab, das Bauverfahren komplett zu digitalisieren – von der Einreichung bis zur Fertigstellung.

Pilotprojekt ist Ende April gestartet

Nach Abschluss der Konzeptionsphase ist nun Anfang April dieses Jahres das Pilotprojekt gestartet. Anhand von echten Bauprojekten wird das neue Konzept unter realen Bedingungen intensiv auf seine Praxistauglichkeit getestet. Dabei sollen neue Wege ausprobiert und Erfahrungswerte gesammelt werden, die es bisher noch nicht gibt. Jeder Arbeitsschritt muss neu durchdacht werden. Zusätzlich kommt neue Hard- und Software zum Einsatz. Mit den Erkenntnissen soll das Verfahren dann angepasst und optimiert werden.

Die Hardware-Ausstattung wurde für den Pilotbetrieb erheblich verbessert: Neben dem Austausch von Laptops und der Bereitstellung spezieller Verhandlungs-Laptops kommen auch doppelte 27-Zoll-Monitore und ein 85-Zoll-Whiteboard mit Touch-Funktion zum Einsatz, um das Bearbeiten von Plänen zu erleichtern.

Zentrales Werkzeug des digitalen Bauverfahrens ist der Elak (Elektronischer Akt). Damit das Bauverfahren mit seinen Daten und Verfügungen abgewickelt werden kann, wurden dort Anpassungen vorgenommen, damit geschäftsbereichsübergreifend gearbeitet werden kann. Neben dem Elak spielt auch die Software A-Forms“ eine wichtige Rolle, insbesondere für die Einreichung von Anträgen.

Diese werden mittels smartem Online-Formular eingereicht und direkt über eine Schnittstelle in den Elak übernommen. Darüber hinaus werden noch weitere Schnittstellen auf ihre Tauglichkeit geprüft, Grundbuch, zentrales Melderegister oder Web GIS (Geografisches Informationssystem) sollen den Wechsel zwischen diversen Systemen hinfällig und die Arbeit effizienter machen. Wann der Pilotbetrieb in den Live-Betrieb übergeführt wird, hängt von den Erkenntnissen und eventuellen Verfahrensanpassungen ab. Kalkuliert wurde mit einer Testphase von einem Jahr.

Neues digitales Informations- und Beratungskonzept

Das neue Konzept sieht vor, dass die Einreichung von Bauvorhaben für Bürger:innen erleichtert und die Qualität der eingereichten Projekte verbessert wird. Dies soll zudem zu schnelleren und qualitativ besseren Verfahren führen, da so weniger Mängel und Nachforderungen auftreten. Umgesetzt wurde bisher schon die Möglichkeit, sich via Website Termine im Bauservice online zu reservieren. Diese Beratung ist im direkten Kontakt möglich, aber nun auch online via Videokonferenz.

  • Bau-Onlineservices als Informationsdrehschreibe – dort werden alle Online-Services erfasst. Diese Services bedienen das grundsätzliche Online-Informationsbedürfnis, also die grundlegende Vorinformation.
  • Bauberatung – Hier geht es um eine konkrete persönliche Beratung zu einem bestimmten Projekt im Bauservice Center im vor Ort im Rathaus und nun auch als Onlineberatung mittels Videokonferenz.
  • Großprojektberatung –Diese Art der persönlichen Beratung wird künftig neu positioniert, um die relevanten Stakeholder für individuelle Besprechungen an einen Tisch zu bringen. Es ist das umfangreichste Format, da die beteiligten Juristinnen und Juristen und technischen Sachverständigen mit dem Projekteinreichern an einem Tisch die wesentlichen Fragen und Herausforderungen durchgehen können. Hier wird der Übergang von einer seriellen Bearbeitung der Prozessschritte zu einer integrierten Bearbeitung erfolgen.

Geplant sind zudem Kurzvideos, die den Bauwerber:innen Grundinformationen liefern, eine interaktive Themenlandkarte auf der Website und eine Baubroschüre mit den wichtigsten Informationen in digitaler und analoger Form. Ebenfalls getestet wird im Magistrat Linz eine KI-gestützte Such- und Chatfunktion, die Fragen der Website-Besucher*innen künftig schnell und zielgerichtet beantworten soll.

Unterschiede zum analogen Prozess

Im analogen Prozess wird der Antrag von Bauwerber:innen vielfach in Papierform direkt bei der Baubehörde eingereicht. Dieser durchläuft anschließend diverse Stellen, welche das eingereichte Bauvorhaben sichten, prüfen, beurteilen und entsprechende Gutachten erstellen. Dazu werden Jurist:innen, Sachverständige und weitere Sachbearbeiter:innen je nach Komplexität des Verfahrens (von der privaten Gartenhütte bis zum Fußballstadion) in rund zehn verschiedenen Bereichen mit der Bearbeitung beauftragt.

Durch die Analyse des aktuellen Prozesses wurde Verbesserungspotenzial durch digitale Werkzeuge sichtbar. Auch wenn aktuell bereits einzelne Arbeitsschritte durch den elektronischen Akt digital unterstützt werden, können durch Integrierung aller Arbeitsschritte künftig Medienbrüche verhindert werden. So können lange und kostenintensive Postwege eingespart und Arbeitsschritte durch das Arbeiten in einem gemeinsamen digitalen Akt beschleunigt und vereinfacht werden. Damit wird auch eine vollelektronische und papierlose Verfahrensabwicklung möglich.

Neben der effizienteren Struktur der internen Abläufe, können Bürger:innen ihr Projekt samt Unterlagen mittels Onlineformular künftig digital einreichen, allfällige Ergänzungen rasch nachreichen und den abschließenden Bescheid elektronisch erhalten. Auch die Archivierung der Akten soll künftig elektronisch erfolgen, was eine Entlastung des analogen Archivs mit sich bringen wird.

Der Nutzen des Digitalen Bauverfahrens

Digitale Prozesse ermöglichen es der Verwaltungsbehörde, ihre Dienstleistungen effizient und transparent anzubieten. Dies trägt dazu bei, dass die Angebote von Bauunternehmen, Architekturbüros und Bürger:innen als kundenfreundlich wahrgenommen werden. Der neue Service reduziert für die Einreichenden Zeit, Geld und Aufwand und stellt einen wichtigen ersten Schritt hin zu einem vollständig digitalisierten Bauverfahren dar.

Die Optimierung der Prozessabläufe erfolgt unter Beteiligung der relevanten Interessensgruppen, von der Vorberatung und Einreichung über die Bewilligung bis hin zur Archivierung, und führt zu einem digitalisierten Verfahren. Im Rahmen des Planungsprojekts wurde im August 2022 eine Umfrage unter relevanten Stakeholdern wie Bauträgerinnen, Architekt:innen und Bauwerber:innen durchgeführt. Dies war wichtig, um die Benutzerfreundlichkeit von Anfang an zu priorisieren. Insgesamt zeigt sich, dass das sehr breit aufgesetzte Konzeptionsprojekt sehr wichtig für den Erfolg des gesamten Projektes ist.

Ulrike Huemer leitet als Magistratsdirektorin seit 2020 die Verwaltung der österreichischen Stadt Linz. Zuvor war sie viele Jahre CIO der Stadt Wien. Die Verwaltungsplattform Apolitical zählte sie im Jahr 2019 zu den 100 einflussreichsten Personen im Bereich digitale Verwaltung.

Bisher von ihr in dieser Rubrik erschienen: IT-Kompetenzen helfen Integration und Fachkräftesuche, Verwaltung als Mix aus Max Weber und Elon Musk, „IT-Projekte ohne Paartherapie“, „Prozessmanagement ist alternativlos“, „Keine Angst vor Microsoft“, „Ein traditioneller Markt wird digital“, „Blackout-Vorbereitung ist ein Gebot der Stunde“, „Unser Stadtklima als warnende Ausstellung“, „Wie wir in Linz unsere Daten organisieren“, Neue Dialogformen zwischen Verwaltung und Bevölkerung“,Projektmanagement: Zwischen Begeisterung und Widerstand,„Ein Leitfaden für die Arbeit mit ChatGPT“ und „Starke Unternehmenskultur als Schlüssel für die digitale Transformation“.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen