Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ließ sich für die Gründung der DB InfraGO AG feiern. Laut Wissing sollte diese zweite Bahnreform alle Probleme beseitigen. Allerdings war der Zusammenschluss zwischen der großen DB Netz AG und der kleinen DB Station & Service AG ein rein politischer Kompromiss als kleinster gemeinsamer Nenner für zwei konträre Seiten. Auf der einen Seite standen und stehen die Befürworter einer Bahnzerschlagung – also die Grünen und die FDP. Gegenüber stehen die Unterstützer des integrierten Bahn-Konzerns mit der gewerkschaftsnahen SPD.
Das große gemeinsame Ziel: Mehr Geld für die Schiene, um endlich den enormen Investitionsstau abzubauen. Das heißt, mehr staatliche Steuerung und vor allem ausreichende Finanzierung, um das marode Schienennetz und die vielen heruntergewirtschafteten Bahnhöfe zu modernisieren. Zudem sollte die Gemeinwohlorientierung handlungsleitend für die neue Infrastruktursparte sein.
Für mich als Konzernbetriebsrätin liegt der größte Hebel zu Verbesserungen für die Reisenden in der Schieneninfrastruktur – denn unsere Züge sind unpünktlich wie nie! Meine Vermutung ist, dass der Fernverkehr die bereits abgesenkte Ziellinie von 70 Prozent Pünktlichkeit in diesem Jahr wieder deutlich verfehlen wird.
Politiker besuchen gerne Bahnhofsneubauten
Schienen und Bahnhöfe bekommen im aktuellen Zustandsbericht durchschnittlich die Schulnote 3 – also mittelmäßig. Diese mittelmäßige 3 bedeutet, dass viele Anlagen auch mit 4 (schlecht) und 5 (mangelhaft) bewertet werden und damit zwar noch verkehrssicher, jedoch dringend erneuerungsbedürftig sind. Nur wenige, aber von Politikern gerne besuchte Bahnhofsneubauten retten die Gesamtnote. Das ist leider die traurige Realität.
Wenn man sich Bahnhöfe wie Bad Kissingen oder die Hauptbahnhöfe in Mönchengladbach und Neuss ansieht, bekommt man eine Vorstellung, wie weit diese Gebäude von einer 3 als Schulnote entfernt sind. Bedauerlicherweise haben viele Reisende eigene Beispiele für Bahnhöfe in so schlechter Verfassung. Das muss sich ändern.
Die sogenannten Hochleistungskorridore und Zukunftsbahnhöfe sollen die Situation in den nächsten Jahren retten. Die viel beschworene Riedbahn – also der Streckenabschnitt zwischen Frankfurt a. M. und Mannheim – macht nach dem Finale der Fußball-Europameisterschaft den Auftakt für das neue Generalsanierungskonzept.
Die neue DB InfraGO soll auch etwas heilen, das bei der ersten Bahnreform vor 30 Jahren komplett auf das falsche Gleis gesetzt wurde: die Bahnhöfe. Damals hatten wir noch mehr als 3500 Empfangsgebäude an den Verkehrsstationen, die sich aus Vermietungseinnahmen selbst finanzieren sollten. Lediglich für die verkehrsnotwendigen Bahnsteige, Wartehäuschen, Abfalleimer und Sitzbänke sowie deren Reinigung darf die Bahn sogenannte Stationspreise für jeden haltenden Zug erheben. Diese Nutzungsentgelte werden von der Bundesnetzagentur reguliert.
Wie katastrophal falsch dieses Konstrukt von 1994 war, sieht man heute: Vier von fünf Empfangsgebäuden, insgesamt über 2800, wurden seit 1994 verkauft. Lediglich knapp 700 Empfangsgebäude sind noch im Besitz der Bahn. Und die sind an vielen Stellen marode und heruntergewirtschaftet. Schuld daran ist das Finanzierungssystem, das vor 30 Jahren falsch angelegt und nie korrigiert wurde. Der Parlamentarische Staatssekretär Michael Theurer (FDP), Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr und mittlerweile designierter Vorstand der Bundesbank, bezeichnete damals vor großem Publikum die Bahnhöfe als „vergessene Kinder der ersten Bahnreform“. Ein Zustand, der sich in der DB InfraGO eigentlich ändern sollte.
Katastrophales Signal der selbsternannten Klima-Regierung
In seiner Rede zur Gründung des neuen Unternehmens sprach Verkehrsminister Wissing dann auch von „Zukunftsbahnhöfen“: 1800 Verkehrsstationen sollten mehr Kapazität erhalten und attraktiver werden. Zusätzlich sollten die verbliebenen Empfangsgebäude endlich nachhaltig saniert werden. Um dies zu ermöglichen, hatte die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr sogar einen Verkaufsstopp ausgerufen: Kein Empfangsgebäude wird mehr veräußert, sondern in Ordnung gebracht. Der allseits unstrittige Milliardenbedarf für Schienen und Bahnhöfe ist nach dem Klimatransformationsfonds-Debakel in wesentlichen Teilen unterfinanziert und von Finanzminister Christian Lindner (FDP) schon wieder zusammengestrichen. Ein katastrophales Signal der selbsternannten Klima-Regierung.
Die im Bundeshaushalt 2024 gekürzten Zuschüsse reichen bei Weitem nicht für die geplanten 1800 zu sanierenden Bahnhöfe. Mit den vorhandenen Geldern können nur circa 500 Bahnhöfe umgesetzt werden. Außerdem ist zu befürchten, dass auch diese Zahl im neuen Haushalt für 2025 weiter schrumpft.
Appell an Bundesländer und Bundesregierung
Noch kann Verkehrsminister Wissing sein Versprechen einlösen und zeigen, dass seine InfraGO nicht nur ein neues Türschild ist. Noch kann er zeigen, dass das eine wahre zweite Bahnreform ist, indem sie das in Ordnung bringt, was es zum Bahnfahren braucht. Der Staat als Eigentümer der Bahnhöfe muss endlich auch Verantwortung übernehmen, die notwendigen Gesetze ändern und das erforderliche Geld bereitstellen. Das muss auch Finanzminister Lindner verstehen. Die dringend benötigten Gesetzesänderungen, zum Beispiel beim Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) müssen jetzt zum Abschluss gebracht werden.
Das BSWAG wurde im Bundesrat von den Bundesländern blockiert und an den Vermittlungsausschuss verwiesen. Ich appelliere an die Bundesländer und die Bundesregierung: Kümmern Sie sich um Ihre Bahnhöfe – denn wir brauchen sie dringend für gute Mobilität und das Gelingen der Verkehrs- und Klimawende.