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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Ein Lizenzsystem für das autonome Fahren

 Martin Varsavsky, Goggo Network
Martin Varsavsky, Goggo Network Foto: Foto: Flickr

Die Coronakrise zeige, dass der Staat beim autonomen Fahren regulierend eingreifen müsse, schreibt Martin Varsavsky, CEO des Mobilitäts-Start-ups Goggo Network. Er macht sich für ein Lizenzmodell für Roboautos stark. Nur so könnten europäische Unternehmen im Wettbewerb mit Google bestehen.

von Martin Varsavsky

veröffentlicht am 15.04.2020

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In ein paar Monaten, wenn die Covid-19 Krise hoffentlich weitestgehend hinter uns liegt, werden wir eine wichtige gesellschaftliche Diskussion zu führen haben. Eine Diskussion über Resilienz. Das Resiliente, das Widerstandsfähige, widersteht Schocks und bleibt sich gleich. Wie schaffen wir es, unsere Staaten, unsere Gesellschaften und unsere Volkswirtschaften widerstandsfähiger zu machen? Was sollten die Konsequenzen aus dieser Krise sein?

Erstens, trotz aller an den Tag gelegten Egoismen, müssen wir erkennen, dass Nationalismus eine Sackgasse ist. Autarkie ist keine Lösung. Das gilt von der Landwirtschaft bis hin zu Rüstungsgütern. Kein Staat kann alle Güter einer modernen Volkswirtschaft im eigenen Land herstellen. Und es wäre auch nicht sinnvoll. Die Vorteile der arbeitsteiligen Wirtschaft bleiben auch nach der Krise bestehen. Im Verbund hat Europa allerdings die Größe und die Fähigkeiten, weitgehende Unabhängigkeit von globalen Märkten und Lieferketten zu erlangen. Eine Antwort auf die derzeitige Krise muss daher in der Stärkung der EU liegen.  

Für mehr technologische Unabhängigkeit 

Zweitens, während derzeit die Versorgungssicherheit mit basalen Gütern im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, liegt die zukünftige Herausforderung woanders. Es geht um den Zugang und die Verfügungsgewalt über Technologien. Klopapier kann man für eine Krise bevorraten. Hoheit über Technologien nicht. In dem Maße, in dem unser Alltag zunehmend durch bestimmte Technologien bestimmt wird – von Cloud-Anwendungen bis zum autonomen Fahren – in dem Maße, wird unsere wirtschaftliche Resilienz davon abhängen, dass wir tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben. Sobald die derzeitige Ausnahmesituation überstanden ist, müssen wir daher unsere Anstrengungen im Bereich technologische Autonomie intensivieren und beschleunigen.  

Drittens: In der Krise wird einmal mehr deutlich, welch entscheidende Rolle der Staat für das Funktionieren unseres Gemeinwohls hat. Es ist die ordnende Hand des Staates, die dafür sorgt, dass medizinische Güter an ihren Bestimmungsort finden und zusätzliche Kapazitäten zur Notfallversorgung errichtet werden. Der Staat ist überall gefragt, wo der Preismechanismus zur Allokation von Ressourcen allein nicht ausreicht. Und das gilt unabhängig von der Krise und muss unsere Anstrengungen, unsere Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen, auch nach der Krise leiten. Dabei geht es nicht um staatliche Lenkung. Freies Unternehmertum bleibt der größte Wohlstandsproduzent einer Volkswirtschaft. Aber der Staat muss überall dort mit Anreizen und Leitplanken eingreifen, wo der Markt alleine wichtige gesellschaftliche Ziele nicht erreicht – beispielsweise Versorgungssicherheit.  

Was heißt das jetzt konkret? Wie lässt sich Resilienz so ausgestalten, dass unsere Wirtschaft nicht nur widerstandsfähiger, sondern auch noch besser wird? 

Ein Lizenzsystem für das autonome Fahren

Nehmen wir ein Beispiel, mit dem ich mich auskenne: autonomes Fahren. Autonomes Fahren ist eine der entscheidenden Zukunftstechnologien. Autonome Fahrzeugflotten werden eine völlig neue Infrastrukturebene für unsere Volkswirtschaften darstellen – zum Transport von Personen wie Gütern – und bieten ein massives Wertschöpfungspotenzial. Deshalb investieren Unternehmen wie Google Milliarden in die Entwicklung dieser Technologie. Europäische Unternehmen hängen in der Entwicklung Jahre hinterher. Es besteht die Gefahr, dass ein paar wenige US-Unternehmen diesen Markt dominieren werden. Europa wäre dann in einem weiteren Bereich technologisch abhängig von den USA. Keine gute Ausgangslage für eine Krise.  

Wie schaffen wir hier also Resilienz? Die Lösung liegt in einem Lizenzsystem für das Betreiben autonomer Fahrzeugflotten. Analog zum Mobilfunkmarkt vergibt der Staat dabei eine limitierte Anzahl von Lizenzen, die für einen gewissen Zeitraum zum Betrieb nationaler Flotten von autonomen Fahrzeugen berechtigen. Das stellt sicher, dass nicht ein Anbieter allein den gesamten Markt beherrschen kann. Dabei könnte ein Teil der Lizenzen ausschließlich an europäische Anbieter-Konsortien vergeben werden.

Das hätte zugleich den Vorteil, dass Anbieter diese Lizenzen als Sicherheit nutzen könnten, um Geschäftsmodelle für autonome Mobilität zu entwickeln. Da ein tatsächlicher Markteintritt und faire Marktchancen gewährleistet wären, könnten hiermit erhebliche private Investitionen stimuliert werden. Beispielsweise wurde Mannesmann vor 20 Jahren für mehr als 190 Milliarden Euro durch Vodafone übernommen – nicht zuletzt aufgrund seiner wertvollen Mobilfunklizenzen.  

Ein solches Modell würde alle drei Lehren aus der derzeitigen Krise beherzigen: die Nutzung europäischer Verbundvorteile in pan-europäischen Konsortien, Verfügungsgewalt über essentielle Zukunftstechnologien, und die Schaffung eines staatlichen Rechtsrahmens, der Resilienz fördert und darüber hinaus noch Investitionen und Wertschöpfung in Europa befördert. So würde Europa nicht nur widerstandsfähiger, sondern auch noch besser. Machen wir etwas aus dieser Krise!   

Mehrfachgründer Martin Varsavsky ist CEO des Start-ups Goggo Network, das sich für die Einführung eines europäischen Lizenzsystems für Robo-Autos einsetzt und das sich selbst um eine solche Lizenz bewerben will. 

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