Je höher die Emissionen, desto höher die Abgaben – so die Idee hinter der geplanten CO2-Differenzierung bei der Lkw-Maut. Eine Maßnahme, die angesichts der Bedeutung des Klima- und Ressourcenschutzes schon fast überfällig ist – gilt es im Verkehrssektor immerhin, eine Emissionslücke von rund neun Millionen Tonnen CO2 zu schließen.
Und da rund 25 Prozent aller CO2-Emissionen im Verkehr auf den Straßengüterverkehr entfallen, spielen Lkw mit alternativen Antrieben und erneuerbaren Kraftstoffen hierbei eine zentrale Rolle. Umso bedauerlicher ist es, dass der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf das Potenzial einer nach CO2-Belastung differenzierenden Lkw-Maut zur Emissionsminderung im Straßengüterverkehr nicht voll ausschöpft.
Fokus auf emissionsfreie Antriebe greift zu kurz
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung werden fünf sogenannte CO2-Emissionsklassen eingeführt, in welchen die Antriebe gemäß ihres CO2-Ausstoßes unterschiedlich hohe Mautreduktionen erhalten können. Null-Emissions-Lkw zählen dabei zur CO2-Emissionsklasse 5, der höchsten und saubersten Klasse. Laut dem Gesetzentwurf fallen hierunter batterieelektrische Fahrzeuge (BEV), die Brennstoffzelle (FCEV) und Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff (H2) betrieben werden.
Der Einsatz dieser Fahrzeuge soll durch besondere Vergünstigungen bei den Mautkosten zusätzlich angereizt werden. Am anderen Ende der Skala steht in CO2-Emissionsklasse 1 der Diesel, der im Interesse des Klimaschutzes möglichst schnell durch alternative Antriebe und erneuerbare Kraftstoffe ersetzt werden muss.
Als branchenübergreifende Marktallianz unterstützt die von der Dena und dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) geleitete Plattform Nachhaltiger Schwerlastverkehr die regulatorische Förderung von Batterie- und Brennstoffzellen-Lkw nachdrücklich. Doch so wichtig es ist, den Markthochlauf von emissionsfreien Antrieben anzureizen, die gewünschte Lenkungswirkung wird die Gesetzesreform so nicht erreichen.
Denn die Neuzulassungszahlen von BEV und FCEV sind derzeit noch vergleichsweise gering, und eine speziell auf den Lkw ausgerichtete Tank- und Ladeinfrastruktur ist kaum vorhanden – vor allem, wenn es um das für den Fernverkehr wichtige Megawatt-Laden geht. Als Konsequenz der geringeren Produktionszahlen sind bei beiden Antrieben auch die Skaleneffekte geringer, sodass der Diesel im Kostenvergleich weiter vorne liegt. Der H2-Verbrenner befindet sich sogar erst im Forschungsstadium. Das Resultat: Unternehmen, die kurzfristig auf die Neuanschaffung eines Lkw angewiesen sind, werden in der Praxis auch weiter meist zum Diesel greifen.
Ob Biogas oder BEV: Jede eingesparte Tonne CO2 zählt
Dabei stehen mit erneuerbaren Kraftstoffen im Schwerlastverkehr bereits CO2-ärmere Optionen zur Nutzung bereit. Bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen können mit einem zu 100 Prozent mit Bio-LNG betankten Lkw gegenüber einem konventionellen Diesel-Lkw eingespart werden. Und: Die Fahrzeuge sind ausgereift und im Markt verfügbar, die Tankstelleninfrastruktur hat sich den Krisen zum Trotz in den letzten zwei Jahren stetig weiterentwickelt und die Biomethan-Mengen können zügig weiter erhöht werden.
Hinzu kommt mit Blick auf den schwer zu elektrifizierenden Lkw-Fernverkehr: Mit Biogas betriebene Lkw können kurz- und mittelfristig eine echte Alternative darstellen. Während mit einem Bio-CNG-Lkw 500 bis 600 Kilometer ohne Tankstopp zurückgelegt werden können, kann mit Bio-LNG sogar eine Reichweite von bis zu 1200 km erzielt werden. Zum Vergleich: Von Herstellern angekündigte Reichweiten schwerer Batterie-Lkw (40-Tonner) liegen momentan bei rund 500 km. Also gerade im Fernverkehr, der einen Großteil der Gesamtleistung im deutschen Straßengüterverkehr erbringt, können erneuerbare Kraftstoffe bereits heute stärker zur Emissionsminderung beitragen.
Blinde Flecken bei der Lkw-Maut
Dem trägt der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Reform der Lkw-Maut aber nicht Rechnung. Danach soll, ergänzend zu den drei bestehenden Mautteilsätzen für Lärm, Schadstoffe und Infrastruktur, ein weiterer Mautteilsatz für CO2-Emissionen eingeführt werden. Der Preis pro Tonne CO2 soll dabei 200 Euro betragen und frühestens ab Dezember 2023 gelten.
Für Lkw mit alternativen Antrieben der Emissionsklasse 5 hieße das, dass keinerlei Zusatzkosten anfallen. Erneuerbare Kraftstoffe werden hingegen im aktuellen Gesetzentwurf unabhängig vom Grad der biogenen Beimischung in die Emissionsklassen ihrer fossilen Äquivalente eingestuft. Für Gasantriebe bedeutet dies die Emissionsklasse 2 oder 3 und damit deutliche Mautaufschläge. Darüber hinaus käme es an dieser Stelle mit Blick auf das Brennstoffemissionshandelsgesetz auch zu einer CO2-Doppelanlastung, die die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag eigentlich vermeiden wollte.
Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf eine CO2-Gewichtung beim Mautteilsatz für Infrastrukturkosten nach dem Prinzip der „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ vor. Demnach sollen die Antriebe entweder in Emissionsklasse 5 oder Emissionsklasse 1 bis 4 eingruppiert werden. Während Emissionsklasse 5 dabei eine Ermäßigung des Mautteilsatzes um ganze 75 Prozent erhält, werden letztere Klassen gleichgestellt.
Auf diese Weise wird das CO2-Einsparpotenzial von Fahrzeugen, die in die CO2-Emissionsklassen 2 bis 4 eingestuft werden würden, nicht berücksichtigt. De facto werden die erneuerbaren Kraftstoffe damit regulatorisch mit dem Diesel gleichgesetzt, sodass keine Lenkungswirkung für den Einsatz bereits kurzfristig verfügbarer Dekarbonisierungsoptionen, wie Bio-LNG, Bio-CNG oder auch HVO100, entfaltet werden kann.
Überarbeitung der Mautreform sinnvoll – Nachweisverfahren notwendig
Die Plattform Nachhaltiger Schwerlastverkehr empfiehlt deshalb, den bestehenden Gesetzentwurf im Parlament zu überarbeiten. Vorschläge hierfür finden sich auch in einem Positionspapier, das die Plattform vor Kurzem veröffentlicht hat. Geht es um die Einordnung bei den Emissionsklassen, sollten erneuerbare Kraftstoffe anhand ihres tatsächlichen CO2-Einsparpotenzials bewertet werden. Andernfalls droht mit der Novelle der Lkw-Maut das vorzeitige Aus erneuerbarer Kraftstoffe im Schwerlastverkehr. In der Konsequenz würde die Dominanz des Diesels auf Jahre festgelegt.
Um die erneuerbaren Kraftstoffe in dem aktuellen Vorschlag für eine Maut-Reform angemessen zu berücksichtigen, fehlt allerdings noch ein Verfahren, über welches die Nutzung von Biokraftstoffen im Tank nachgewiesen werden kann. Denn ohne den Tanknachweis ist eine Anrechnung im Rahmen der Lkw-Maut nur schwierig umzusetzen, und den Unternehmen wird kaum ein Anreiz für den Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen geboten.
Wird jedoch ein gesetzliches Nachweisverfahren für erneuerbare Kraftstoffe eingeführt, kann die Lkw-Maut einen schnellen und effizienten Anreiz zu mehr CO2-Einsparungen im Straßengüterverkehr liefern. Für eine praktikable und zügige Lösung beim Tanknachweis empfiehlt sich unter anderem eine enge Abstimmung mit den betroffenen Akteuren. Die Plattform Nachhaltiger Schwerlastverkehr bietet sich hier zur Koordination oder Vermittlung an.