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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Die Stadt der Zukunft braucht das Taxi

Michael Oppermann, Geschäftsführer beim Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM)
Michael Oppermann, Geschäftsführer beim Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) Foto: PR

Das Taxi spielt als Teil des ÖPNV eine wichtige Rolle für die Stadt der Zukunft. In den vergangenen Jahren hat sich das Gewerbe modernisiert und digitalisiert. Doch der Konflikt mit Uber & Co. hat viele Ressourcen gekostet, Betriebe vernichtet, außerdem ist er noch nicht vorbei. Jetzt sind die Städte gefragt, diesen Bereich der Mobilität zu ordnen und zu gestalten.

von Michael Oppermann

veröffentlicht am 19.06.2024

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Wenn es das Taxi nicht gäbe, wir würden es heute erfinden: Das Taxi ist flexible Mobilität in Ergänzung zu Bus und Bahn. Es zählt zum ÖPNV, steht jederzeit zum Einstieg bereit und bringt täglich rund 1,2 Millionen Fahrgäste sicher an ihr Ziel. Als 1893 das erste Taxi durch Dessau rollte, ermöglichte es Menschen Mobilität, die kein eigenes Auto hatten. Heute – rund 130 Jahre später – ermöglicht die elfenbeinfarbene Flotte Mobilität für Menschen, die nicht selbst fahren wollen oder können. Heute wie damals macht das Taxi mobil ohne eigenes Auto. Wer den Verkehr mit dem Privat-Pkw zurückdrängen will, braucht flexible Mobilitätslösungen. Wer die Stadt der Zukunft gestalten will, braucht das Taxi.

Seit die Plattform Uber 2016 auf den deutschen Markt gekommen ist, hat die Branche gemeckert, protestiert und vor Gerichten prozessiert. Weniger bekannt: Die Branche hat sich auch berappelt. Sie hat sich in rasantem Tempo modernisiert und digitalisiert. Sie hat ihre Hausaufgaben gemacht und sich neu erfunden.

Heute sind von 50.000 Taxis bundesweit 42.000 digital per App bestellbar. Aber nicht – wie man meinen könnte – bei Uber und Bolt, sondern über gewerbeeigene Apps wie Taxi Deutschland und taxi.eu. Die Flotte ist integriert in Apps internationaler Buchungsplattformen wie Sixt und lokale ÖPNV-Angebote wie Jelbi (Berlin) oder LeipzigMOVE (Leipzig). Die Buchung und Abrechnung ist bundesweit problemlos möglich, die Hürden der hergebrachten lokalen Struktur hat das Gewerbe in den letzten Jahren digital überwunden.

Uber: Lösung für ein Problem, das es nicht (mehr) gibt

Die Fahrzeuge sind modern, gerade in den Großstädten fahren viele Hybrid-Fahrzeuge und werden jetzt Stück für Stück durch batterieelektrische Autos abgelöst. In Hamburg sind bereits 25 Prozent der Taxiflotte emissionsfrei unterwegs. Und auch beim Thema Ridepooling hat die Branche nicht geschlafen. Den bundesweit größten On-Demand-Dienst betreibt der Bundesverband Taxi und Mietwagen zusammen mit den Taxiunternehmen im Auftrag der Deutschen Bahn.

Als Uber letzte Woche ankündigte, künftig bundesweit mit Taxiunternehmen zusammenarbeiten zu wollen, da blieb der große Aufschrei der Taxibranche aus. Warum? Weil Uber heute – anders als teilweise noch 2016 – auf Taxiunternehmen trifft, die längst digital sind. Uber ist die Lösung für ein Problem, das es nicht (mehr) gibt.

Hat sich die Lage also entspannt? Ist der Konflikt zwischen Taxibranche und Uber Vergangenheit? Leider nein. Die Plattformen Uber und Bolt vermitteln auch weiter vor allem so genannte Mietwagen mit Fahrer und umgehen damit die ÖPNV-Regeln, die im Taxi gelten.

Mit Dumping-Preisen gewinnen diese Angebote Kunden und machen den Taxifahrern das Leben schwer. Doch die niedrigen Preise haben eine Kehrseite. Für die Fahrer bedeutet das: Ausbeutung, Sozialdumping und fehlende Versicherungen sind an der Tagesordnung. Für die Fahrgäste mag ein niedrigerer Tarif zunächst attraktiv erscheinen. Allerdings werden Uber und Co ohne tarifgebundene Taxi-Konkurrenz ihre eigenen Preise festlegen – zum Wohl der Eigner und Aktionäre, nicht zum Wohl der Fahrgäste.

Für einen Wettbewerb mit Uber und Bolt zu fairen Spielriegeln

In Berlin hat der Senat in diesem Jahr ein Drittel (!) aller Betriebe im Uber-Milieu stillgelegt. Die Berliner Regierung spricht von organisierter Kriminalität. Und auch das ist bemerkenswert: Die Plattform Free Now, die ebenfalls stark auf die Vermittlung von taxiähnlichen Mietwagen setzte, kündigte unlängst ihren Ausstieg an. Die Begründung hat es in sich: Das Geschäftsmodell des taxiähnlichen Mietwagens sei legal nicht zu betreiben.

Vor rund einer Woche war in einem Standpunkt hier im Tagesspiegel Background von einem Vertreter von Bolt zu lesen. Er mahnte die Digitalisierung der Verwaltung an, um „schwarze Schafe“ zu identifizieren. Natürlich hat er recht, dass die Verwaltung digitaler werden muss. Wer würde da ernsthaft widersprechen? Aber der Kommentar ist doch vor allem zynisch.

Wer eine Plattform schafft, deren Erfolg wesentlich davon abhängt, dass sich illegale Strukturen und organisierte Kriminalität entfalten, der ist wohl kaum moralisch berufen, der Verwaltung Ratschläge zu geben. Und nebenbei: Bolt ist gesetzlich verpflichtet, in Echtzeit Mobilitätsdaten über seine Dienste zu liefern, was sie aber bis heute nicht tun. Unterstellen wir der digitalen Plattform, dass sie dazu problemlos in der Lage wäre, so ziehen sich die Schlüsse wie von selbst.

Das Taxi ist heute gut aufgestellt für einen Wettbewerb mit fairen Spielregeln. Jetzt sind die Städte gefordert: Sie können seit jeher entscheiden, wie viele Taxis es in ihrer Stadt geben soll, wo Halteplätze eingerichtet werden und was die Fahrt kostet (Taxitarif). Neu ist, dass sie auch entscheiden können und müssen, ob es in Zukunft noch ein Taxi gibt. Wenn sie das wollen, müssen sie dem Taxi erlauben sich zu entfalten und dem Dumping-Wettbewerb Einhalt gebieten. Die Instrumente dazu stehen bereit.

Das Taxi braucht die Rückendeckung der Städte

Seit Sommer 2021 können Städte sehr flexibel Festpreise im Taxi ermöglichen. Für Verbraucher ist das gut, denn sie wissen vorab verbindlich, was die Fahrt kostet. Seit 2021 wirbt das Taxigewerbe in Städten und Landkreisen für die Festpreis-Option. Deutschlandweit gibt es über 500 Tarifbezirke, zwei haben es in fast drei Jahren geschafft, die Festpreise einzuführen (München und Berlin). Das ist schlicht zu wenig. Ebenfalls seit Sommer 2021 können Städte Mindestpreise für Mietwagen einführen. Damit soll Dumping-Wettbewerb mit all seinen negativen Konsequenzen verhindert werden. Ein ähnliches Bild: Nur Leipzig und Lörrach in Baden-Württemberg haben heute Mindestpreise. Das ist zu wenig, zu zögerlich, und vor allem: zu langsam.

Die Stadt der Zukunft braucht das Taxi. Aber das Taxi braucht die Städte jetzt! Sie müssen heute tätig werden, um morgen noch ein Taxigewerbe zu haben – als Teil eines Mobilitätsangebots, das sie gestalten und ordnen können. Festpreise im Taxi und Mindestpreise im Mietwagen sind möglich, man muss es nur machen.

Viele Städte bereiten diese Schritte derzeit vor. Das ist gut. Denn die Stadt der Zukunft braucht beides: Digitalisierung und Ordnung. Das zu verbinden liegt nun in den Händen der Städte. Und auch das sollte nicht vergessen werden: Faire Spielregeln sind auch im Interesse der Verbraucher. Erst dann können sie wieder mit ruhigem Gewissen einsteigen und darauf vertrauen, dass sie gut und sicher an ihr Ziel kommen. Denn: Wenn im Auto vorn links die Bedingungen stimmen, kann man sich hinten rechts entspannt zurücklehnen.

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