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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Gleiche Rechte und Pflichten für alle Verkehrsmittel

Tobias Breyer, COO bei Swobbee
Tobias Breyer, COO bei Swobbee

Um die Potenziale von E-Bikes, E-Rollern und E-Kickscootern für die urbane Mobilität zu heben, braucht es eine bundesweite Mikromobilitätsstrategie fordert Tobias Breyer, Mit-Initiator eines neuen Branchenbündnisses. Die Infrastruktur müsse entsprechend angepasst, die Sicherheit erhöht und die Flächen in der Stadt gerecht verteilt werden.

von Tobias Breyer

veröffentlicht am 26.07.2021

aktualisiert am 27.07.2021

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Wie können die neuen Mobilitäts- und Transportformen (die bleiben werden!) im Rahmen einer gerechten urbanen Flächenentwicklung berücksichtigt werden? Unter dem Titel „Mehr Miteinander wagen“ hat das neue Branchenbündnis Dialog Mikromobilität Vorschläge für die kommende Bundesregierung zusammengetragen. Erstmals haben sich in einer Initiative Unternehmen und Verbände unterschiedlicher Branchen zusammengetan, um positive Impulse zu setzen. Der zugrundeliegende Gedanke war: Wie lässt sich die ausdifferenzierte Mobilitätslandschaft im Sinne eines fairen Miteinanders organisieren? Haben nicht alle ein gleiches Recht auf Mobilität? Ist es nicht an der Zeit, die alten Infrastrukturen an neue Realitäten anzupassen?

Wir, die Initiatoren und Unterstützenden des Dialogs Mikromobilität, meinen ja. Die nächste Bundesregierung sollte daher angesichts der Notwendigkeit einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Stadtentwicklung eine bundesweite Mikromobilitätsstrategie entwerfen und umsetzen – im Dialog mit allen relevanten Stakeholdern.

Für die Mikromobilität-nutzenden Branchen und Personen sind dabei unter anderem folgende vier Punkte von essentieller Bedeutung: der mikromobilitätsgerechte Ausbau städtischer Infrastruktur, die Steigerung der Sicherheit für Elektrokleinstfahrzeuge und alle anderen Verkehrsteilnehmenden, eine gerechtere Verteilung städtischer Flächen für alle Verkehrsteilnehmenden sowie die Anerkennung des ökologischen Potenzials mikromobiler Verkehrs- und Transportlösungen und die entsprechende Berücksichtigung in nachhaltigen (ÖPN-)Verkehrskonzepten.

Urbane Infrastruktur fit für die Zukunft machen

Um der steigenden Zahl der Mikromobilitätsnutzenden gerecht zu werden – und diese Zahl im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung weiter zu erhöhen – müssen Radwege verbreitert, ausgebaut und zu Mikromobilitätswegen und -schnellstraßen weiterentwickelt werden. Da Elektrokleinstfahrzeuge und Fahrräder die gleichen verkehrlichen Potenziale aufweisen, sollten diese auch rechtlich gleichgestellt und unter Mikromobilität zusammengefasst werden. Infolge sollten die Verkehrsschilder „Fahrrad Frei” in „Mikromobilität frei” umbenannt werden.

Zugleich braucht es mehr sichere Abstellflächen für die Mikromobilität. Dies sollte vor allem durch die Umwandlung von Kfz-Stellplätzen und das Anbieten von Parkmöglichkeiten an Kreuzungen geschehen. Im Idealfall ist künftig in dichtbesiedelten Gebieten der nächste Mikromobilitätsstellplatz in maximal 50 Metern zu erreichen. Um die nachhaltige City-Logistik zu stärken, muss die Einrichtung von Mikro-Hubs erleichtert und gefördert werden. Dazu gehört auch der begleitende Ausbau von Lademöglichkeiten für alle Arten von E-Fahrzeugen – speziell auch für den Bereich Mikromobilität, in dem noch großer Handlungsbedarf besteht. Die Errichtung intelligenter Akku-Wechselstationen steigert die Effizienz und Nachhaltigkeit mikromobiler Anwendungen zusätzlich.

Berechtigte Sicherheitsbedürfnisse berücksichtigen

Durch den bereits angesprochenen mikromobilitätsgerechten Ausbau städtischer Verkehrswegeinfrastruktur wird nicht zuletzt auch das subjektive Sicherheitsempfinden erhöht, was wiederum positive Effekte für die Nutzung von E-Kleinstfahrzeugen und Fahrrädern haben wird. In diesem Zusammenhang sehen wir als eine zentrale Weichenstellung, Tempo 30 als Richtgeschwindigkeit in der Stadt zu etablieren. Dies führt zu einer Angleichung der Verkehrsträger und einer Erhöhung der Sicherheit aller Straßenverkehrsteilnehmenden, wie beispielsweise Helsinki eindrücklich beweist, wo das schon breit umgesetzt wird.

Da sich mehr als die Hälfte der Unfälle mit Zufußgehenden sowie Nutzenden von Mikromobilitätsangeboten an unübersichtlichen Kreuzungen ereignen, müssen endlich die Erkenntnisse des konfliktarmen Kreuzungsdesigns umgesetzt werden. Dazu gehören geschützte Parkflächen, die Markierung bekannter Gefahrenpunkte, getrennte Ampelphasen für verschiedene Fahrzeugarten, eine fahrbahnnahe Verkehrsführung von Rad- bzw. Mikromobilitätswegen und so weiter. Schließlich sollte bei Fehlen einer Mikromobilitätsspur und dem Vorhandensein von zwei Pkw-Spuren die rechte Fahrspur komplett für die Mikromobilität, also Fahrräder, E-Cargobikes, E-Roller und E-Scooter, zur Verfügung stehen.

Flächen in der Stadt fair-teilen

Die einseitige Ausrichtung städtischer Verkehrswegeinfrastruktur auf Pkw muss beendet werden. Die urbane Infrastruktur muss vor dem Hintergrund der berechtigten Mobilitäts- und Sicherheitsansprüche von Zufußgehenden, Radfahrenden und anderen Mikromobilitätsnutzenden endlich allen Verkehrsteilnehmenden gleichermaßen zur Verfügung stehen. Pkw-Alternativen brauchen mehr Flächen in der Stadt, dies kann nur auf Kosten existierender Pkw-Flächen geschehen, da sich nachhaltige Mobilitätsformen keine Konkurrenz machen sollten. Zugleich muss die Attraktivität der Pkw-Nutzung in der Stadt sinken und Bußgelder für die Missachtung von Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie Parkverboten sollten erhöht werden.

Elektrokleinstfahrzeuge als wesentlicher Baustein der Mobilitätswende

Werden die oben genannten Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit, Infrastruktur und Flächengerechtigkeit umgesetzt, wird dies die Attraktivität von (E-)Kleinstfahrzeugen erhöhen, was wiederum einen direkten positiven Einfluss auf die Klimaziele der Städte haben wird und die urbane Luft- und Lebensqualität steigert. Dies gilt auch für Sharingangebote, die den Umstieg vom Auto auf die Mikromobilität erleichtern, was den Verkaufsdruck in den Städten sukzessive reduziert. Vielzählige Sharingangebote machen Sinn, denn jeder zweite zurückgelegte Weg im Wohnumfeld findet in einem Fünf-Kilometer-Radius statt – ein ideales Einsatzgebiet für elektrische Kleinstfahrzeuge. Zur Attraktivitätssteigerung gehört auch die sinnvolle Verzahnung neuer Sharingdienste und Mobilitätsoptionen mit Nahverkehrsangeboten, um eine nahtlose nachhaltige Mobilität zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sollte auch eine rechtliche Gleichstellung des ÖPNV-Jobtickets und eines Mobilitätsbudgets erfolgen. So werden bestehende Lücken im ÖPNV geschlossen und die Attraktivität multimodaler nachhaltiger Mobilitätsformen erhöht.

Die Mikromobilität bietet auch eine Lösung für die Belastungen aufgrund des stark zugenommenen Lieferverkehrs: Mehr als 20 bis 30 Prozent des innerstädtischen Warenverkehrs können mit Cargobikes abgewickelt werden, weshalb der Einsatz Lastenrad-basierter Transport- und Logistiklösungen deutlich attraktiver gemacht werden muss. Dazu gehört auch der flächige Einsatz von Tauschakku-Systemen, die die Effizienz und Klimabilanz von mikromobilen Logistikanwendungen steigern.

Eine niedrigschwellige Nutzung neuer Mobilitäts- und Transportoptionen wird auch durch ein breites Netz an Akku-Tauschstationen herbeigeführt. Schließlich müssen die Vorschriften beim Akkutransport angepasst werden. Aktuell werden beim Transport Batteriemanagementsysteme mit Sicherheitsfunktionen und Gehäuse rechtlich gleichgestellt mit Rohzellen mit offenen Kontakten. Das damit verbundene Gewichtslimit führt zu unnötig vielen Fahrstrecken und einem erhöhtem Verbrauch. 

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