Getrieben vom E-Commerce und weiter verstärkt durch die Pandemie, ließen sich die Deutschen 2021 mehr als 4,5 Milliarden Paketsendungen liefern. Damit verbunden stiegen die Anzahl der Zustellfahrzeuge und die daraus resultierenden Probleme. Die scheinbar perfekte Lösung: Microhubs.
Diese citynahen und kompakten logistischen Umschlagspunkte erfreuen sich wachsender Popularität. Sie sollen dazu dienen, die letzte Meile im Innenstadtbereich abzudecken. In vielen City-Logistik-Konzepten sind sie ein wichtiger Baustein für die emissionsfreie Innenstadt beziehungsweise die nachhaltige Paketverteilung im Bereich der Same-Day-Delivery. Der Traum vieler Städteplaner sieht dementsprechend aus: Paketdienstleister wie DHL, Hermes & Co liefern die Pakete in verkehrsarmen Zeiten störungsfrei am Microhub an. Dort werden sie zu Touren zusammengestellt, um per Lastenrad oder elektrischem Kleinfahrzeug die Empfänger zu bedienen: möglichst emissionsfrei und lautlos.
Das zentrale Problem: Ein Sortieren und Umschlagen von Paketen auf teuren Innenstadtflächen wird auf absehbare Zeit nicht mit den Kosteneffizienzanforderungen der Logistikdienstleister vereinbar und realisierbar sein.
Grenzen der Microhubs
Wer sich mit Logistiknetzwerken auskennt und sich mit dem Thema Microhubs auseinandersetzt, erkennt schnell die zentralen Grenzen des Konzepts. Erstens: Städtische Flächen sind teuer und knapp. Gerade die hohe Bebauungsdichte sowie die engen Straßen- und Parkräume in Städten machen neue Belieferungskonzepte für die Innenstädte relevant. Wo also sollen die Microhubs entstehen? Zweitens: Die Effizienz bei der Nutzung der teuren Flächen ist unzureichend: Selbst wenn eine Verwaltung Parzellen für jeweils einen Logistikdienstleister freischaufeln kann, wird jede dieser Flächen zu wenig genutzt. Logistisch günstige Lagen sind zudem teuer und die Margen der Logistikdienstleister klein. Und wenn die Fahrer ihre Sendungen im Microhub manuell sortieren, ist das zeit- und damit kostenintensiv. Zudem gestalten sich Kooperationen zwischen den Dienstleistern aus Wettbewerbsgründen als schwierig.
Dennoch sehen viele Kommunen und Landesregierungen die Einrichtung von Microhubs als eine vielversprechende Lösung an und sind großzügig bei der Förderung von Pilotprojekten. Aber ist das Konzept abseits von Förderprogrammen tatsächlich tragfähig? Nein.
Sinnlose Förderung?
In den Stadtverwaltungen selbst betreuen meistens Verkehrsplaner, Umweltreferenten oder die Abteilung Wirtschaftsförderung das Thema. Diesen Beteiligten fehlt in der Regel das Expertenwissen eines Logistikfachmanns. Ausschreibungen für Logistikkonzepte gehen oft an der Realität vorbei. Hartnäckig hält sich jedoch die Erwartung, dass sich die Anzahl der städtischen Transporte durch Microhubs signifikant reduzieren lässt. Das ebnet den Weg für Fördergelder.
In geförderten Pilotprojekten wurden mittlerweile in vielen Städten Microhubs installiert, um das Konzept in der Praxis zu erproben. Ernüchternd: Kaum ein Projekt wird nach Ablauf des Förderzeitraums fortgesetzt. Sobald Logistiker oder Stadtverwaltungen die vollen Kosten tragen müssen, findet sich kein Betreiber für die Microhubs und die Fahrzeugflotte für die letzte Meile. Die mit großem Elan gestarteten Projekte werden stillschweigend eingestellt, verschwinden aus der öffentlichen Wahrnehmung, werden aber nach wie vor als „Best Practice“ in Logistikkonzepten gepriesen.
Microhubs nur Brückentechnologie
Punktuell gibt es vereinzelt Straßenzüge, welche aufgrund der Straßenführung und fehlender Haltemöglichkeiten die effiziente Zustellung von Paketsendungen mittels Lastenrad erlauben. Es gibt – Stand heute – aber keine wirtschaftlich tragfähige und funktionierende Lösung für einen flächendeckenden Rollout. Als Brückentechnologie lassen sich mit Microhubs unter Realbedingungen neue logistische Prozesse entwickeln und Fahrzeugtechnologien auf die Probe stellen. Hier ergeben Pilotprojekte Sinn.
Grundsätzlich aber gilt: Die Logistikunternehmen wollen Geld verdienen, gegenüber ihren Konkurrenten marktfähig bleiben und müssen dafür möglichst effizient wirtschaften. Microhubs sind aus ihrer Sicht keine effiziente Lösung. Folgerichtig wird sich kein Paketdienstleister engagieren.
Städte müssen Rahmenbedingungen anpassen
Stadtverwaltungen können Paketdiensten keine direkten Vorgaben machen: Wenn sich etwas ändern soll, müssen sich Rahmenbedingungen ändern. Eine Stellschraube ist, die innerstädtische Zustellung mit konventioneller Flotte schwieriger und damit teurer zu gestalten. Städteplaner könnten die Straßenführung für den Autoverkehr unattraktiver machen und parallel die Fahrradinfrastruktur verbessern. Viele Verwaltungen denken auch darüber nach, die Innenstädte nur noch für Elektrofahrzeuge freizugeben. Erst bei zusätzlichen Kosten und entsprechenden Hindernissen werden Logistikdienstleister über strukturelle Alternativen nachdenken.
Will man größere Transporter durch kleinere Lastenräder ersetzen, ist es ratsam, die Bestückung der Transportbehälter schon außerhalb der Städte im Verteilzentrum vorzunehmen. So lässt sich die teure dezentrale Sortierung vermeiden. Softwarelösungen können hier unter Berücksichtigung von Maßen, Mengen, Restriktionen und Streckenprofilen die Zustellaufträge Transportern oder Lastenrädern zuordnen, die Lastenradtouren entlang möglicher Behälterstandorte optimieren und Pakete den Behältnissen zuweisen. Die im Verteilzentrum gefüllten Lastenradkoffer werden dann an einen ermittelten Standort entlang der Route transportiert und vom Lastenradfahrer mit dem leergewordenen Behälter ausgetauscht. Eine Vision, die wirtschaftlich realistischer ist als Microhubs in Innenstädten.
Dass Stadtverwaltungen ihr Augenmerk auf den innerstädtischen logistischen Kosmos richten, ist sinnvoll und zu unterstützen. Aktuelle Pilotprojekte zu Microhubs zeigen jedoch, wie schwierig es ist, sinnvolle Betreibermodelle zu entwickeln und etablieren. Der Fokus muss sich auf neue Denkansätze außerhalb des Stadtzentrums konzentrieren.