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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Schwerer Schlag für die Verkehrswende

Carsten Sommer, Professor für Verkehrsplanung an der Universität Kassel
Carsten Sommer, Professor für Verkehrsplanung an der Universität Kassel Foto: VDV

Dass die Technische Universität Braunschweig offenbar den Lehrstuhl für Planung und Betrieb öffentlicher Verkehrssysteme nicht nachbesetzen will, ist ein Alarmsignal für die deutsche Verkehrswende. Der Staat muss in die akademische Ausbildung investieren. Dies hilft auch gegen den Fachkräftemangel. Carsten Sommer ist auch stellvertretender Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

von Carsten Sommer

veröffentlicht am 01.12.2023

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In diesen Tagen lässt eine Meldung aus Braunschweig aufhorchen: Die dortige Technische Universität plant offenbar, den Lehrstuhl für Planung und Betrieb öffentlicher Verkehrssysteme am renommierten Institut für Verkehrswesen, Eisenbahnbau und -betrieb (IVE) vorerst nicht nachzubesetzen. Ein Vorgang, der aus Sicht der Verkehrswissenschaft in Deutschland durchaus als schwerer Schlag bezeichnet werden darf. 

Diese Entscheidung macht einmal mehr deutlich, mit welcher Dringlichkeit und Notwendigkeit wir die Relevanz einer starken Forschung und Lehre im Bereich Eisenbahn und öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV) in Deutschland betonen müssen. Universitäre Forschung und Lehre sind für die Zukunft der Mobilität in unserem Land von zentraler Bedeutung. Der wissenschaftliche Beirat des Branchenverbands VDV hat daher zusammen mit dem Verband einen Brief an die TU Braunschweig verfasst, dessen zentrale Argumente ich im Rahmen dieses Beitrags gerne aufgreifen möchte.

Die Herausforderungen der Verkehrswende

Wir stehen am Scheideweg einer umfassenden Verkehrswende. Die Notwendigkeit, umweltfreundliche und effiziente Verkehrslösungen zu entwickeln, ist klarer denn je. Der Eisenbahn- und ÖPNV-Sektor spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie sind nicht nur umweltfreundlicher als der Individualverkehr, sondern auch effizienter in der Beförderung großer Menschenmengen. Doch diese Systeme stehen vor großen Herausforderungen: Digitalisierung, Automatisierung, steigende Nachfrage und der unausweichliche Klimawandel erfordern innovative Ansätze und Lösungen.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, ist eine starke Forschung und Lehre unerlässlich. Hochschulen und Universitäten spielen eine Schlüsselrolle in der Ausbildung der nächsten Generation von Fachkräften, die die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, um den Sektor weiterzuentwickeln. Dies bedeutet nicht nur, theoretisches Wissen zu vermitteln, sondern auch praktische Fähigkeiten und ein tiefes Verständnis für die komplexen Systeme des öffentlichen Verkehrs zu entwickeln.

Fachkräftemangel und akademische Ausbildung

In Deutschland besteht ein dringender Bedarf an qualifiziertem Personal im Bereich des Eisenbahn- und ÖPNV-Systems. Viele Unternehmen, darunter die Deutsche Bahn, suchen nach Ingenieurinnen, Informatikerinnen, Kaufleuten und anderen Akademikerinnen. Dieser Mangel an Fachkräften birgt das Risiko, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb zurückfällt. Um dies zu verhindern, müssen wir unsere Hochschulen stärken, damit sie den akademischen Nachwuchs effektiv ausbilden können.

Die Politik muss die Bedeutung dieses Sektors erkennen und entsprechend handeln. Die Bereitstellung von Finanzmitteln für die Verkehrswende ist wichtig, aber sie muss auch von einer Förderung der Bildung und Forschung begleitet werden. Dies bedeutet, in Hochschulen und Universitäten zu investieren, um sicherzustellen, dass sie die Ressourcen haben, um qualitativ hochwertige Forschung und Lehre anzubieten.

Praxisbezug und Zusammenarbeit mit der Industrie

Um die Lehre in diesem Bereich zu verbessern, ist eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie unerlässlich. Praktische Erfahrungen und Einblicke in die reale Arbeitswelt sind für Studierende von unschätzbarem Wert. Partnerschaften zwischen Hochschulen und Unternehmen können dazu beitragen, die Ausbildung relevanter und attraktiver zu gestalten.

Die Investition in Forschung und Lehre im Bereich Eisenbahn und ÖPNV bietet langfristige Vorteile. Sie schafft nicht nur Arbeitsplätze, sondern trägt auch zur Entwicklung nachhaltiger Verkehrslösungen bei, die wiederum zur Erreichung unserer Klimaziele beitragen. Für Studienanfänger bietet dies die Aussicht auf langfristig sichere und sinnstiftende Arbeitsplätze.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stärkung der Forschung und Lehre im Bereich Eisenbahn und ÖPNV in Deutschland eine Investition in unsere Umwelt, unsere Wirtschaft und in die Zukunft unseres Landes ist. Wissenschaft, Industrie und Politik müssen zusammenarbeiten, um den notwendigen Wandel in der Mobilitätsbranche zu gestalten und zu unterstützen. Nur so können wir sicherstellen, dass Deutschland seine führende Rolle in der Entwicklung nachhaltiger Verkehrssysteme behält und weiter ausbaut.

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