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Digitalisierung & KI

Standpunkte Die nächste EU-Kommission muss die Integrität von Informationen angehen

Mark Dempsey, Senior EU Advocacy Officer bei Article 19
Mark Dempsey, Senior EU Advocacy Officer bei Article 19

Die Europäische Union braucht eine Vision für eine offene, dezentralisierte, faire, diverse und inklusive Informationsumgebung. Article 19 hat Empfehlungen für die nächste EU-Kommission vorgestellt, die sich auf diese Punkte und damit auf die Integrität von Informationen konzentrieren.

von Mark Dempsey

veröffentlicht am 07.05.2024

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Dieses Jahr werden über 50 Länder den Schritt an die Wahlurne machen. Es ist deshalb wenig überraschend, dass die Integrität von Informationen in politischen Kreisen zu einem geflügelten Wort geworden ist, in den engen Grenzen der „Brüssel-Blase“ und außerhalb davon.

Auch Article 19 beschäftigt sich in seinen jüngst veröffentlichten Empfehlungen für die nächste EU-Kommission mit dem Thema. Wir fordern die neue Kommission auf, ihre Energie auf die effektive Umsetzung und Durchsetzung ihrer bestehenden Gesetze für digitale Kommunikation zu konzentrieren. Das heißt besonders: auf den Digital Markets Act (DMA), den Digital Services Act (DSA), den AI Act, den European Media Freedom Act (EMFA) und die Anti-Slapp-Richtlinie.

Zentral für die Demokratie

Die sozialen Medien sind stark konzentriert. Das hat große Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, – weil weniger Eigentümer auch weniger diverse Ansichten bedeuten – auf die Diversität der Standpunkte, die man zu sehen bekommt, hohe Einstiegsbarrieren, weniger Auswahlmöglichkeiten für Bürger:innen und so weiter und so fort.

Eine starke Durchsetzung des DMA kann helfen, diese Konzentration anzugehen. Das Gesetz kann, wenn es umfänglich eingesetzt wird, helfen, soziale Medien für den Wettbewerb zwischen Plattformen zu öffnen. Es braucht nachhaltige Alternativen und wieder mehr Macht auf der Nachfrageseite des Markts.

Auch eine einheitliche Durchsetzung des DSA ist wichtig, um den demokratischen Prozess in diesem Superwahljahr unter Kontrolle zu halten. Mit seinen Regeln für den Datenzugang für Forscher:innen kann das Gesetz für Klarheit sorgen, welche Gefahren für Demokratie, Gesellschaft und Einzelpersonen drohen. Wenn der DSA wirklich Transparenz liefern soll, dann muss er diese wichtigen Mechanismen liefern.

Was den AI Act angeht: Zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen haben wir kritisiert, dass das Gesetz keinen Goldstandard für den Schutz von Menschenrechten liefert. Wir fordern die nächste Kommission auf, die Entwicklung von Schutzmechanismen zu unterstützen, die in diesen Rechten verankert sind.

Dazu gehört auch ein Verbot für Technologien, die mit internationalen Menschenrechtsstandards fundamental inkompatibel sind, wie zum Beispiel die Emotionserkennung. Hier ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Systeme zur Emotionserkennung am Arbeitsplatz und in der Bildung verboten sind, aber für Polizei und Migrationsbehörden weiter erlaubt bleiben. Wie schon zu viele bisherige Fälle zeigen, werden diese nicht zögern, solche Systeme gegen die am meisten ausgegrenzten Mitglieder der Gesellschaft einzusetzen.

Schlüsselmoment für die Medienfreiheit

2023 wurden weltweit 78 Journalist:innen getötet, 36 mehr als im Jahr zuvor. 2024 wird diese Zahl wahrscheinlich übertreffen, mit besonders hohen Verlusten im Gaza-Streifen. 2023 wurden weltweit 820 Slapp-Klagen, also rechtsmissbräuchliche Einschüchterungsklagen, gegen Journalist:innen eingereicht, 250 mehr als im Jahr zuvor.

Die Verabschiedungen des EMFA und der Anti-Slapp-Richtlinie waren wichtige Schritte auf dem Weg dahin, den Schutz von unabhängigen Medien, Pluralismus und Journalist:innen in der ganzen EU zu verbessern. Der EMFA legt für alle Mitgliedstaaten gemeinsame Prinzipien fest, damit sie Bedrohungen für freie Medien effektiv angehen können. Trotzdem geht er nicht so weit, wie wir es gerne gehabt hätten, weil er zum Beispiel Social-Media-Plattformen nicht verpflichtet, das Hosten und Kuratieren von Inhalten zu entflechten.

Article 19 hat zusammen mit anderen Organisationen in der Koalition gegen Slapps in Europa die Anti-Slapp-Richtlinie als Mindeststandard willkommen geheißen. Jetzt müssen die Mitgliedstaaten wirksame Gesetze vorlegen. Diese sollten auch Slapp-Fälle innerhalb ihrer Grenzen umfassen, ebenso wie Verfahren, die unter Strafrecht oder Verwaltungsrecht fallen. Außerdem sollten sie robuste Garantien dafür enthalten, dass Slapp-Verfahren schnell vorzeitig eingestellt werden. Wir fordern die Kommission hier auch auf, in der zweijährigen Übergangszeit das Training von Richter:innen, Juristin:innen und Journalist:innen zu unterstützen.

Eine transparentere Kommission

In der vergangenen Legislaturperiode hat der Rat erneut die Undurchsichtigkeit der Trilogverhandlungen in der EU-Gesetzgebung genutzt, um Texte aus dem Parlament zu schwächen, die nach harten Kämpfen den Schutz fundamentaler Rechte sicherstellen sollten.

Die neue Kommission muss hier der Öffentlichkeit gegenüber transparenter sein, indem sie den Zugang zu Informationen verbessert. Das könnte sie auch erreichen, indem sie die Zivilgesellschaft besser in die Um- und Durchsetzung von Gesetzen einbindet. Wir haben weitgehende Möglichkeiten. Wenn die Kommission diese Expertise von Fall zu Fall erfassen würde, könnte sie so Lücken bei ihrer eigenen Ausstattung füllen.

Mark Dempsey ist Senior EU Advocacy Officer bei der zivilgesellschaftlichen Organisation Article 19, die sich für den Schutz der Meinungsfreiheit einsetzt.

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