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Digitalisierung & KI

Standpunkte Dilemma zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Tobias Anger ist CTO der Telepaxx Medical Data GmbH
Tobias Anger ist CTO der Telepaxx Medical Data GmbH Foto: Telepaxx

Ein oft genanntes Argument für die schleppende Einführung von Cloud-Technologien ist der Datenschutz. Dabei biete die DSGVO prinzipiell einen verlässlichen und planbaren Rahmen, meint Tobias Anger vom Cloud-Anbieter Telepaxx. Cloud-Technologien könnten beispielsweise beim Einholen und Verwalten von Patienten-Zustimmungen helfen.

von Tobias Anger

veröffentlicht am 31.07.2023

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Ein junger Mann kommt nach einem Motorradunfall schwer verletzt in die Notaufnahme. Normalerweise würde der diensthabende Arzt im Rahmen eines Anamnesegesprächs für den Behandlungserfolg wichtige Parameter abfragen: Welche Medikamente nehmen Sie, gibt es Vorerkrankungen oder Allergien? Doch der Biker ist bewusstlos. Eine einfache Lösung: Alle relevanten medizinischen Daten eines Patienten, also Diagnosen, Medikationspläne oder medizinische Bilddaten, werden in einer datenschutzkonformen Cloud gespeichert. Dann könnten Ärzte in wichtigen Situationen schnell auf alle medizinischen Informationen zugreifen.

Doch die heutige Realität sieht anders aus. Die medizinischen Informationen eines Patienten liegen meist an unterschiedlichen Orten in unterschiedlicher Form vor: beim Hausarzt oder dem behandelnden Facharzt, analog im Hängeregister oder digital auf den hauseigenen Servern. Das führt dazu, dass kaum ein Arzt die gesamte Behandlungshistorie einsehen kann. Auch die elektronische Patientenakte (ePA), welche ab Anfang 2024 verpflichtend sein soll, wird hieran zunächst nicht viel ändern. Für die so wichtigen medizinischen Bilddaten, wie Ultraschall oder MRT (Magnetresonanztomografie), ist beispielsweise noch keine Lösung definiert. Wie also können die verteilt gespeicherten Patientendaten einfach und vor allem sicher zur Verfügung gestellt werden? Cloud-Technologien ermöglichen bereits heute einen standort-, geräte- und softwareunabhängigen Zugriff auf Daten.

Ein oft genanntes Argument für die schleppende Einführung von Cloud-Technologien ist der Datenschutz. Zu Recht ist dieser in Deutschland hoch aufgehängt. Gerade im Bereich der diagnostischen Medizindaten sind die hohen Datenschutzstandards mehr als gerechtfertigt. Unser Anspruch, sensible Patientendaten zu schützen, darf uns aber nicht davon abhalten, medizinischen Fortschritt zu ermöglichen. Die DSGVO bietet hier prinzipiell einen verlässlichen und planbaren Rahmen. Noch ist der Datenschutz für medizinische Daten aber oftmals in restriktiven Landesgesetzen verankert. Es ist höchste Zeit, in den Bundesländern entsprechende gesetzliche Modernisierungen anzugehen. Zumal es bereits technologisch erprobte Lösungen gibt, die sowohl DSGVO-konform sind als auch den digitalen Austausch zwischen medizinischen Einrichtungen ermöglichen. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung etwa bietet einen verlässlichen Schutz, da nur berechtigte Kommunikationspartner durch einen entsprechenden Schlüssel Zugriff auf die Informationen erhalten.

Status Quo Krankenhaus-IT

Bereits 2020 hat der Bund das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) auf den Weg gebracht, um die Versorgungsstruktur deutscher Krankenhäuser zu modernisieren und zu digitalisieren. Wer einen Blick auf die heutige IT-Infrastruktur in medizinischen Einrichtungen wirft, hat aber nicht das Gefühl, dass die Millionen an Fördergeldern bereits angekommen sind. Maßgeblich verantwortlich sind chronisch unterbesetzte IT-Abteilungen, denen schlicht die Kapazitäten fehlen. Auch hier bieten Cloud-Infrastrukturen und Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS-Lösungen) aus der Cloud die Möglichkeit, Personal- und IT-Ressourcen besser einzusetzen. Aufwändige Wartungsarbeiten, hauseigene Server-Updates und die Hardware-Pflege würden wegfallen und Raum für Innovationsprojekte und den Betrieb der verbleibenden Infrastruktur geben.

Medizindaten-Clouds können auch helfen, den medizinischen Fortschritt voranzutreiben. Die Entwicklung und Qualitätssicherung KI-basierter Technologien zum Beispiel benötigt große Mengen medizinischer Daten. Cloud-Technologien können hier sowohl beim Einholen und Verwalten von Patienten-Zustimmungen helfen, als auch die einrichtungsübergreifende Kollaboration fördern. Wie erwähnt, muss der Datenschutz immer mitgedacht werden. Kein Patient soll Sorge haben, seine Krankenakte im Internet zu finden. In einer Gesellschaft, in der das Verhältnis der Patienten pro Arzt konstant steigt, führt jedoch an KI-gestützten Lösungen kein Weg vorbei. Wir benötigen neben verlässlichen Regelungen vor allem einen abwägend geführten Diskurs und keine pauschale Verteufelung der Nutzung medizinischer Daten für die Forschung. Nur gut strukturierte, qualitativ hochwertige Daten werden uns helfen, zuverlässige und sichere Innovationen im Gesundheitssektor zu entwickeln.

Radiologe im Homeoffice

Cloud-Lösungen können auch dazu beitragen, das medizinische Personal zu entlasten und somit ganze Berufszweige in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiver zu machen. Da der Zugriff auf Cloud-Dienste über das Internet erfolgt, können Ärzte an anderen Standorten bei Personalengpässen einspringen, beispielsweise für die Befundung von radiologischen Untersuchungen. So könnte ein Radiologe am Kölner Standort eines Praxisverbunds bei der Befundung am Bonner Standort unterstützen, falls dort ein Kollege ausfällt. Sind die Daten in einer Cloud gespeichert, erhält der Kölner Radiologe durch ein entsprechendes Berechtigungsmanagement übergangsweise Röntgen- oder CT-Aufnahmen der Bonner Filiale in seine Arbeitsliste geschickt. Diese kann er dann unkompliziert an seinem Arbeitsplatz in Köln befunden. Selbst das zeitweise Arbeiten von Zuhause ist für Radiologen dann keine Utopie mehr.

Cloud-Lösungen entlasten Ärzte und führen dazu, dass sie sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren können: die Behandlung des Patienten. Für eine breite Akzeptanz von Cloud-Lösungen im Gesundheitswesen ist es allerdings erforderlich, höchste Sicherheitsstandards anzusetzen und den Schutz sensibler Patientendaten zu gewährleisten. Der Datenschutz darf aber auch nicht zum Verhinderer von Innovationen werden. Für eine zukunftsfähige und dringend benötigte vernetzte Gesundheitsinfrastruktur brauchen wir die Cloud als Fundament, da sie den Bedürfnissen von Patienten und medizinischen Einrichtungen gleichermaßen nachkommt und Innovationen fördert.

Tobias Anger ist seit Anfang 2022 Chief Technology Officer (CTO) der Telepaxx Medical Data GmbH und für die Entwicklung sicherer cloud-basierter Lösungen zuständig. Der Maschinenbauingenieur arbeitete zuvor über zehn Jahre in der Strategieberatung, unter anderem für McKinsy. 

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