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Digitalisierung & KI

Standpunkte Lücken schließen im Global Digital Compact

Friederike von Franqué, Referentin für Internationale Regelsetzung bei Wikimedia Deutschland
Friederike von Franqué, Referentin für Internationale Regelsetzung bei Wikimedia Deutschland Foto: Friederike von Franqué, Referentin bei Wikimedia Deutschland (privat)

Beim Internet Governance Forum wird auch über das UN-Projekt „Global Digital Compact“ gesprochen, der zur weltweiten Leitlinie für ein gutes Internet werden soll. Doch die bisherige Einbindung der Zivilgesellschaft ließ zu wünschen übrig. Um dem selbst gesteckten Ziel eines freien und offenen digitalen Raumes gerecht zu werden, benötige es deutlich mehr und konkretere Aussagen im Bereich der digitalen Commons, meint Friederike von Franqué von Wikimedia Deutschland.

von Friederike von Franqué

veröffentlicht am 12.09.2023

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Die diesjährige Vollversammlung der Vereinten Nationen im September wird sich vor allem mit der Halbzeitbilanz der Sustainable Development Goals (SDGs) beschäftigen. Doch schon jetzt laufen die Vorbereitungen für den Summit of the Future, der 2024 die thematischen Lücken schließen soll, die angesichts der neuen Herausforderungen in einer globalen Politik zum Wohle der heutigen und künftigen Generationen noch bestehen.

Eine der adressierten Lücken betrifft die Vision einer digitalen Zukunft, die Aktivitäten in Bereichen wie digitale Entwicklung, Menschenrechte, Künstliche Intelligenz (KI) und Cyberstabilität umfasst. Wenn Teilhabe künftig stärker davon abhängt, dass Zugang zum Internet besteht und Kenntnisse digital vermittelt werden, wie sollte dann die Weltgemeinschaft dafür sorgen, dass dieser Zugang gelingt? Wie und inwiefern kann digitale Technik als Motor für menschlichen Fortschritt genutzt und deren negative Auswirkungen minimiert werden?

Mit einem „Global Digital Compact“ (GDC) möchte der UN-Generalsekretär eine geeinte Vision einer offenen, freien, sicheren und menschenorientierten digitalen Zukunft erreichen, die in den Prinzipien der Universellen Menschenrechte und der SDG-2030-Agenda verwurzelt ist. Er befindet sich nach einem globalen Konsultationsprozess aktuell in der Ausarbeitung. Wie wirkmächtig das Dokument am Ende sein wird, ist noch nicht ganz klar. In jedem Fall wird der GDC die Internet Governance der nächsten Jahre entscheidend prägen.

Ein erster Hinweis darauf, was dieser GDC beinhalten könnte, befindet sich im „Policy Brief“ des UN-Generalsekretärs. Vieles wird dort angesprochen. Dennoch erscheint dieser Text zu unambitioniert in Hinblick auf die eigene Zielsetzung. Auch aus zivilgesellschaftlicher Sicht bleiben Wünsche offen. Das zeigte sich bei der konzentrierten Durcharbeitung des Policy Briefs durch Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich auf Initiative von Wikimedia Deutschland über die Sommerferien zu einem Austausch zusammen gefunden hatten. Am Mittwoch findet das Internet Governance Forum Deutschland statt, bei dem das Ergebnis dem Auswärtigen Amt und dem Bundesdigitalministerium offiziell übergeben wird.

Öffentliche Orte im Internet 

Die Hauptforderungen: Wenn sich der Generalsekretär selbst ernst nimmt mit seinem Ziel, das Digitale als einen Raum des Trennenden zu einem Raum des Verbindenden zu machen, dann sollten die Globalen Digitalen Commons – das sind öffentlichen Räume, gemeinschaftlichen Güter und gemeinwohlorientierte Prozesse im Netz – und die Wahrung der Menschenrechte als gemeinsames Fundament stärker konturiert werden.

Auch im Digitalen sollte es etwas wie öffentliche Parks geben als sichere, anlasslose Treffpunkte, um das zivilgesellschaftliche Gefüge der globalen Gemeinschaft zu stützen. Sie ermöglichen Lern- und Emanzipationsprozesse, in denen Menschen unabhängig von einer Markt- und Konsumlogik Eigeninitiative entwickeln und Verantwortung für die Zukunft übernehmen. Sie erlauben im Digitalen, was analog nur bedingt geht: grenzenlose Zusammenarbeit, Solidarität und unendlich teilbare Wissensressourcen. Wikipedia und die vielen Wikimedia-Projekte sind ein Beispiel dafür. Das sollte die Zielvision des GDC sein.

Dazu gehören offene Infrastrukturen, Codes und Standards. Der Zugang zu allen Arten von Datenbanken, Bibliotheken und Medien, aber auch offene digitale Infrastrukturen, Technologien und Code mit Daten nach Standards der Creative Commons sind die Basis für eine gerechte, inklusive globale digitale Transformation. Dies sollte im künftigen GDC konkretisiert und vorangetrieben werden. Die Förderung alternativer Infrastrukturen wie Community Networks, offener Frequenzen oder Community Hubs gehören zu den vielen Möglichkeiten, die im GDC unter den ‚Aktionspunkten‘ Erwähnung finden sollten.

Vage bei Menschenrechten

Als Fundament des Zusammenlebens sollten die universellen Menschenrechte auch auf digital-technischer Ebene streng gewahrt bleiben. Ohne Menschenrechte ist die Teilhabe für alle im Digitalen nicht möglich. Bei den staatlichen Pflichten oder den Möglichkeiten des Privatsektors, diese Rechte mit technischen und politischen Lösungen zu berücksichtigen, bleibt der Text allerdings noch vage. So fehlen etwa Standards für den Schutz vor Online-Gewalt, Inklusion bleibt im Text undifferenziert, Prävention gegen Desinformation und Propaganda bleibt schwach und die Weiterentwicklung eines vertraulichen Nutzens des Internets etwa mit robusten Kriterien zu Verantwortlichkeiten bleibt unkonkret.

Insbesondere Instrumente zur Verschlüsselung und Anonymität sollten im GDC gesichert werden. Sie sind die Voraussetzungen für diskriminierungsfreie Teilhabe, die beispielsweise Projekte der Wikimedia und damit die sichere Bereitstellung von gemeinschaftlich global nutzbaren digitalen Gütern erst möglich machen. Der GDC kann von den Erfahrungen der EU im Hinblick auf menschenrechtliche und unternehmerische Sorgfaltspflichten sowie Regulierungsmöglichkeiten von Plattformen profitieren. Transparenz- und Rechenschaftspflichten sowie die Einrichtung von effektiven, unabhängigen Beschwerdemechanismen für Nutzer*innen sollten unbedingt angesprochen werden. Tendenzen, die das freie Internet einschränken oder gänzlich gefährden – wie Netzsperren, Online-Zensur und digitale staatliche Repression über Ländergrenzen hinweg – müssen vonseiten der UN schlagkräftiger, nachhaltiger und zielgerichteter angegangen werden.

Zivilgesellschaft muss beteiligt werden 

Widersprüchliche Botschaften sendet der Policy Brief in Hinblick auf zivilgesellschaftliche Beteiligung und Multi-Stakeholder-Ansätze. Einerseits betont er die generelle Bedeutung des Multi-Stakeholder-Ansatzes in der globalen Digitalpolitik, andererseits spielt die digital-technische Community in dem angesprochenen Trilog aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Regierungen keine eigenständige Rolle mehr.

Darüber hinaus wird mit dem „Digital Cooperation Forum“ eine neue Institution vorgeschlagen, deren Aufgaben starke Ähnlichkeit mit dem existierenden Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen aufweisen. Wie dieses eingeführte und erfolgreiche Format der Multi-Stakeholder-Beteiligung dennoch stark bleibt, kann der Policy Brief nicht einleuchtend erklären. Dabei ist die effektive Beteiligung von Zivilgesellschaft, Tech-Community und Wissenschaft angesichts der rasanten technischen Entwicklungen und ihrer komplexen Auswirkungen wichtiger als zuvor, um gemeinschaftlich und für das Gemeinwohl eine bessere Zukunft zu gestalten.

Seltsam losgelöst vom Zielbild bleiben die Äußerungen zu Künstlicher Intelligenz. Kriterien für ihren Einsatz oder ihre Auswirkungen etwa auf die Umsetzung der Agenda 2030 und die nachhaltige Gestaltung und Nutzung digitaler Infrastrukturen, Produkte und Ansätze weltweit bleiben ungenannt. Ökologische Nachhaltigkeit bleibt gänzlich unerwähnt. So begrüßenswert es ist, dass KI in einem eigenständigen Kapitel angesprochen wird, so wichtig bleibt dennoch ihre Einbettung in die übergeordneten Ziele der Weltgemeinschaft. Konkrete Vorschläge in Hinblick auf KI und datengetriebene Anwendungen, Persönlichkeits- und Urheberrechte oder der Definition von Hochrisikoanwendungen nebst Umweltfolgen sollten daher im GDC unbedingt vorkommen.

Die Verhandlungen um den konkreten Text des GDC beginnen jetzt. Ein offener, transparenter Prozess und der Austausch mit der deutschen Regierung ist wünschenswert. Das schärft nicht nur das gemeinsame Verständnis, sondern stärkt im besten Fall die deutsche Position und die Inhalte des GDC nachhaltig.

Friederike von Franqué ist Referentin für Europäische und Internationale Regelsetzung bei Wikimedia Deutschland. Die promovierte Historikerin und Politologin ist zudem Gründerin des Instituts für Demokratie, Medien und Kulturaustausch und arbeitet unter anderem zu Medienbildung und Cybersicherheit im Kontext von Meinungs- und Informationsfreiheit.

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