Durch die Vorgänge rund um die Besetzung des Amts des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) droht diesem wichtigen Amt ein bleibender Schaden.
Obwohl der Bundesbeauftragte praktisch der höchste Transparenzwächter im Land ist, sind seine Wahl und Wiederwahl seit jeher in den Hinterzimmern vorentschieden worden. Auch der aktuelle Bundesbeauftragte ist durch die barocke Tradition des Handauflegens bei nachträglicher Bestätigung durch die Parlamentsmehrheit in sein Amt gekommen. Doch solange die zu Kontrollierenden ihre Macht über die Auswahl der Kontrolleure nicht offenkundig genutzt hatten, um letztere geräuschlos wieder loszuwerden, hat diese Praxis als scheinbar normaler demokratischer Vorgang öffentlich kaum Anstoß erregt.
Dass es nun mit Ulrich Kelber einen ausgewiesenen und kompetenten Informatiker trifft, der sich in den vergangenen Jahren immer wieder kritisch und sachkundig mit dem Regierungshandeln auseinanderzusetzen hatte, macht die Praxis des Amtswechsels zum Skandal. Es war Ulrich Kelber, der mit großem Engagement für die Datensouveränität Betroffener bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens eintrat und der jüngst gegenüber der Bundesregierung anordnete, die eigene Facebook-Fanpage wegen Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung abzuschalten. Das dürfte vielen Politikern – nicht zuletzt aus seiner eigenen Partei – nicht gefallen haben.
Unabhängigkeit ernst nehmen
Nun wird für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar: Ämter sollten nicht im Hinterzimmer frei nach der Devise „eine Wehrbeauftragte und einen Drogenbeauftragen gegen einen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit“ vergeben werden. Mit gutem Grund sieht das EU-Recht eine vollständige Unabhängigkeit des Amtes des Datenschutzbeauftragten vor. Diese Unabhängigkeit ist nicht zuletzt deshalb gefordert, weil die oder der Amtsträger die Regierung, aber auch das Parlament als eine unabhängige Kontrollstelle zu beaufsichtigen und die Rechte und Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger zu schützen hat.
Dass der Bundesdatenschutzbeauftragte gleichzeitig Wächter der Informationsfreiheit ist und die Transparenz des exekutiven Handelns sicherstellen muss, macht die Bedeutung für ein offenes Auswahlverfahren zusätzlich deutlich. Voraussetzungen für die Amtsinhaber sind die fachliche Eignung, erforderliche Qualifikation sowie Erfahrung und Sachkunde im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten. Das lässt sich nicht durch politisches Handauflegen bestimmen. Daher bräuchte es gerade bei einem solchen Amt offene Verfahren mit öffentlicher Ausschreibung und Anhörungen. Transparenz schützt insoweit vor Inkompetenz.
Wer will jetzt noch den Job des BfDI machen?
Der Umgang mit Ulrich Kelber hat denn auch einen Subtext für alle, die ihm nachfolgen werden: Amtsträger, die auf eine Verlängerung ihrer Amtszeit setzen, sollten sich besser nicht mit der Regierung anlegen. Nicht die ambitionierte Amtsausübung ist die beste Garantie für die Wiederwahl, sondern eine verlässliche strategische Loyalität zu den politischen Entscheidungsträgern und ihren Agenden. Das mag im Sinne eines möglichst ungestörten Regierungshandelns sein. Es ist es nicht im Sinne von Rechtsstaatlichkeit und Gemeinwohl.
Die Vorgänge um den Bundesbeauftragten widersprechen der zentralen Bedeutung des Amtes in Zeiten des disruptiven digitalen Wandels. Die Vorgänge um die Wiederbesetzung machen ein überbordendes Selbstverständnis von Politik und Macht sichtbar, das gerade auch für die derzeitige Krise und den Verdruss vieler Menschen am politischen Betrieb mitverantwortlich ist.
Prof. Dr. Johannes Caspar ist Beiratsvorsitzender von Transparency Deutschland. Der Jurist und Rechtsphilosoph lehrt an der Universität Hamburg und war von 2009 bis 2021 Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit.