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Digitalisierung & KI

Standpunkte Wir alle können die Zukunft unserer Arbeit mit KI gestalten

Doris Aschenbrenner, TU Delft (r.) und Aljoscha Burchardt, DFKI (l.)
Doris Aschenbrenner, TU Delft (r.) und Aljoscha Burchardt, DFKI (l.) Foto: Konrad-Adenauer-Stiftung/Fotomontage TSP

Seit einem Jahr treffen sich Forscher:innen zum fachübergreifenden Austausch über den Einsatz Künstlicher Intelligenz und ihrer Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Doris Aschenbrenner und Aljoscha Burchardt geben einen Einblick in den Prozess und den Stand der Ergebnisse.

von Doris Aschenbrenner und Aljoscha Burchardt

veröffentlicht am 03.03.2021

aktualisiert am 04.01.2023

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Es ist paradox: Schon heute fehlen nicht nur in den zutiefst menschlichen Bereichen unserer Gesellschaft wie Pflege oder Ausbildung Zehntausende von Arbeitskräften und bis 2030 gehen nach Schätzungen 40 Prozent aller Mitarbeiter der bereits jetzt überlasteten öffentlichen Verwaltung in Rente. Dennoch fürchten viele Menschen um ihren Arbeitsplatz – durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI).

KI: Große Erwartungen an eine unscharf definierte Technologie

Laut verschiedener Umfragen meint ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung, gut erklären zu können, was KI bedeutet. Angesichts der inhärenten Unschärfe dieses Begriffes wäre es interessant gewesen, sich von den Befragten tatsächlich erklären zu lassen, was sie sich unter KI vorstellen. Allein bei den Anwendungen wären die Antworten wohl von der Rechtschreibkorrektur bis hin zum Industrieroboter sehr vielfältig ausgefallen. Ein weiteres Paradox: Fragt man Bürgerinnen und Bürger, so denken sie dass das Thema KI für den Wohlstand relevant sein wird, wünschen sich gar eine „deutsche Führungsrolle“ bei diesem Thema, sehen aber in ihrem Arbeitsumfeld vor allem Gefahren. Das klingt nach „Wasch meinen Pelz, aber mach mich nicht nass!”. Eine ähnliche Spaltung wird auch für Digitalisierungsthemen insgesamt beobachtet: Führungskräfte proklamieren digitale Kulturen oder Strategien, ohne sie selbst zu praktizieren.

Die gute Nachricht ist: Wir können und müssen die „Zukunft der Arbeit“ im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz gestalten. Die heutigen „schwachen“ KI-Systeme sind nämlich mitnichten von selbst intelligent. Sie müssen für Ihre Aufgabe im jeweiligen Umfeld „aufgeschlaut“ werden und das geht nur gemeinsam. Im Fachdialog des „KI-Observatoriums“ des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) nähern wir uns in einer interdisziplinären kritischen Debatte dieser Aufgabe. Erste Erkenntnisse können wir nach einem Jahr KI-Observatorium aus Sicht unseres Forschungshintergrunds gut vertreten, ohne damit jedoch schon für das gesamte Expert*innengremium sprechen oder die finalen Ergebnisse vorausnehmen zu wollen.

1. Gestaltungsauftrag annehmen. Abwarten und Motzen führt garantiert zu einem schlechten Ergebnis.

Wer sich auf den Weg macht, die Einsatzmöglichkeiten von KI im eigenen Umfeld zu erkunden, der kann diese komplexe Umgestaltung nicht wegdelegieren, sondern es wird richtig Arbeit. Wir empfehlen, im Unternehmen die Fachabteilung, IT-Abteilung, Rechtsabteilung, Geschäftsleitung und den Betriebsrat einzubeziehen, und sich externe Hilfe zu suchen (siehe Punkt 2). Wichtig ist hier, nicht nur die herumliegenden „Hausaufgaben“ von Interoperabilitätslücken anzupacken – beispielsweise dass verschiedene IT Systeme nicht gut zusammen arbeiten  und am Schluss das Label „KI“ darauf zu kleben, sondern wirklich etwas Neues zu machen.

2. Interdisziplinäres Co-Design. Nicht ohne uns.

Am Besten werden Forschungsinstitutionen, Betriebe und Arbeitnehmer*innen in einem partizipativen Design-Prozess miteinander aktiv. Dabei müssen die Betroffenen, also die Endanwender*innen, im Mittelpunkt stehen und aktiv in die Diskussion mit eingebunden werden – und zwar direkt und nicht nur über Stellvertreter*innen wir etwa den Betriebsrat. Wenn das Wissen über die Prozesse und Inhalte so auf die KI-Systeme gebracht wird, haben wir eine Chance, die unschönen Teile unserer Jobs von den Systemen abgenommen zu bekommen. Im Englischen spricht man in diesem Zusammenhang von den vier „Ds“ der Roboterisierung: Dull, Dirty, Dangerous and Dear.

Im Prozess kann man sich von den folgenden Fragen leiten lassen.

Anforderungen: Was soll das Ding eigentlich leisten? 

Es muss klar sein, ob es um die Optimierung existierender Prozesse oder um ein neues Geschäftsmodell geht und welche Anforderungen an das KI-System gestellt werden. Was einfach klingt, wird in vielen Projekten nicht beantwortet. Schöne Nebeneffekte der nachgeholten Digitalisierung können übrigens auch ein verbessertes Wissensmanagement und größere Barrierefreiheit sein.

Datenlage: Hab ich Daten in der nötigen Qualität und Quantität?

Sehr viele gute Ideen scheitern aktuell in der Praxis daran, dass die Daten nicht vorhanden sind und auch nicht erhoben werden können – hierbei kann es um Messdaten oder auch Kommunikationsmitschnitte aus Kundenkommunikation gehen. Es gibt aber auch KI-Systeme, die mit weniger Daten auskommen. Datenschutz sollte nicht als Alibi für Nichtstun herhalten.

Erfolg messbar machenWie messe ich, ob das soziotechnische System funktioniert?

Wenn wir wissen, was am Schluss verbessert werden soll, brauchen wir Messinstrumente. Hier geht es insbesondere darum, nicht nur das technische Subsystem zu messen (Bringen die Algorithmen auch die erforderlichen Ergebnisse?), sondern ob auch die Anwendung durch die Endnutzer und in der gesamten Organisation funktioniert. Dazu gehört auch die Arbeitszufriedenheit.

Umstellungsprozess: Wie soll es laufen?

Das Digitale ist notorisch unfertig. Der Blick über den Tellerrand zu agilen iterativen Methoden oder Designmethoden der nutzerzentrierten Technologiegestaltung hilft, hier das richtige Vorgehen zu identifizieren, so dass in jedem Moment die bestmögliche Gesamtlösung gefunden wird.

Raum: Wo können wir es testen?

Systeme müssen erst in verschiedenen Prototypen entwickelt und in Experimentierlabors nahe an der Realität ausprobiert werden. Die Empfehlung ist hier, mit Pilot- oder Vorprojekten, sowie mit Minimal Viable Products (im Prinzip nur teilweise fertiggestellte Produkt-Mockups) zu arbeiten, um das komplexe System und insbesondere das Feedback der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die dann täglich damit arbeiten sollen, aufzunehmen.

Wenn diese Fragen in der Breite beantwortet sind, haben wir die Hoffnung, dass die eingangs geschilderten Paradoxien ein Thema der Vergangenheit geworden sind und die Maschinen mit uns “gute Arbeit” machen.

Doris Aschenbrenner ist Assistant Professor an der TU Delft in den Niederlanden und arbeitet zu Mensch-Roboter Ko-Produktion. Sie ist Themenpatin für das „Menschenorientierte Innovationssystem“ in der BMAS-Denkfabrik-Reihe „Mensch-Technik-Interaktion – Arbeiten mit KI“.

Aljoscha Burchardt ist Research Fellow und stellvertretender Standort­sprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH) in Berlin. Er begleitet die BMAS-Denkfabrik-Reihe „Mensch-Technik-Interaktion – Arbeiten mit KI“ seit ihrem Start.

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