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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wir brauchen in Europa ein flächendeckendes Superschnellbahnnetz

Stefan Frankenberger, Künstler und Produzent in Wien
Stefan Frankenberger, Künstler und Produzent in Wien

Der Weg in die grenzenlose „Europäische Republik”, in der Austausch, Handel, Klimaneutralität, Mobilität und soziale Gerechtigkeit gewährleistet sind, führt über ein gemeinsames Netz, schreibt der Künstler Stefan Frankenberger. Seinen Traum von einem europäischen Schnellbahnnetz hat er „Metropa“ getauft.

von Stefan Frankenberger

veröffentlicht am 03.11.2021

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In Europa rumort es. Nicht erst seit Kurzem, doch mittlerweile hebt sich das Hintergrundrauschen gut vernehmbar vom Tagesgeschehen ab. Eine weitere alte Zeit neigt sich dem Ende zu – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Wir stehen an Abgründen und Steilwänden. Beides kann erhebend sein. Doch wir kommen nicht so recht in die Gänge. Drucksen herum und vermeiden die großen Entscheidungen, obwohl uns doch recht klar ist, dass es so nicht weitergeht. Wir möchten eigentlich wieder runter in den Werkzeugkeller, doch uns fehlt ein Projekt, das uns dazu motiviert. 

Wie wäre es denn mit der totalen Neuorganisation des europäischen Bahnverkehrs? Seit geraumer Zeit fordern wir mit unserem Projekt Metropa genau das. In der modernen Welt ist Mobilität unveräußerliches Menschenrecht. Sie ist zugleich der Schlüssel zu einer echten europäischen Integration, die europäische Werte mit einem klar erkennbaren Nutzen verbindet. Und Europa als zusammenhängender Kultur- und Wirtschaftsraum hat nun die Chance und Pflicht, diese Mobilität sozial gerecht umzusetzen.


Wir brauchen daher in Europa ein hochfrequentes, flächendeckendes  Superschnellbahnnetz, das alle Europäer*innen miteinander verbindet, und das – in Anlehnung an die ersten zaghaften Versuche zum Beispiel in Luxemburg – kostenfrei. An die Stelle der (größtenteils willkürlich gezogenen) Grenzlinien treten nach und nach Verbindungslinien. Sie bilden das Aderwerk eines Organismus, der zum jetzigen Zeitpunkt jedoch leider über eine gemeinsame Währung und Wirtschaftspolitik nicht hinauskommt. Es gibt keine Verfassung, stattdessen eine komplizierte Bürokratie, und es gibt keine einenden Bilder, die es den Bürger*innen dieses Kontinents leichter machen würden, sich als Teil davon zu betrachten und zu fühlen.

Weg in eine grenzenlose „Europäische Republik”

Der Organismus hingegen, von dem ich rede, definiert sich von Anfang an über die Schaffung eines Netzwerks, das allen dient. Und alle, die es benutzen, dienen der gemeinsamen Idee. Der Weg in die grenzenlose „Europäische Republik”, in der Austausch, Handel, Klimaneutralität, Mobilität und soziale Gerechtigkeit gewährleistet sind, führt über ein gemeinsames Netz.

Keine Frage, dies ist alles zeitlich noch weit entfernt. Aber viele Menschen verstehen  diesen Gedanken schon jetzt und warten sehnlichst auf Taten. Sie sind bereit, ihr Verhalten zu ändern und das auch von anderen einzufordern. Auch Konzerne und Regierungen beginnen umzudenken. Es geht in langsamen Schritten voran. 

Um dem großen Ziel näherzukommen und uns zugleich von seiner Größe nicht abschrecken zu lassen, sollten wir uns Etappenziele setzen. Mit dem Metropa-Plan vor Augen könnten wir den Wind der Jetztzeit nutzen und die Idee, zum Beispiel auf das existierende Netz anwenden.

Jeweils ein Zug pro Nacht in beide Richtungen

Lasst uns zunächst ein Nachtzugnetz schaffen, das die Metropa-Linien als Nachtlinien mit jeweils einem Zug pro Nacht in beide Richtungen führt und damit die räumliche Dimension festlegen, in der das Netz der Zukunft operieren soll. Nachtzüge sind derzeit der letzte Schrei, zugleich die erste Antwort auf die Krise des Flugverkehrs. Zu lange wurde dieser künstlich subventioniert; auch hier liegt die Zeitenwende buchstäblich in der Luft.

Im nächsten Schritt lasst uns dieses Netz auch auf den Tagesbetrieb ausweiten und seine Frequenz in Zweijahresschritten um jeweils das doppelte erhöhen: erst 2 mal täglich, dann 4 mal, und so weiter, bis zur maximalen Frequenz von jede halbe Stunde an jedem Metropa-Bahnhof. Mit gleichzeitig sinkenden Preisen. Nationale Zugbetreiber sollen sich endlich auf Abstimmung und technische Vereinheitlichung verständigen, um die bestehenden Hindernisse – unterschiedliche Spurweiten, Betriebsspannungen, nationale Befindlichkeiten – zu überwinden. 

In dieser langen Zeit der Vorbereitung werden die Möglichkeiten zu einer Superschnellbahn von mehr als 300km/h auf gesamteuropäischer Basis evaluiert. Es müssen Konsortien auf technisch-wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene geschaffen werden. Die Trassen werden über die Autobahnen geplant, die dann in der Zukunft niemand mehr brauchen wird. Die kleinen Flughäfen werden rückgebaut und als Ressourcen in das Neue Netz integriert. Es entstehen zahllose Arbeitsplätze, Innovation, ganze Wirtschaftszweige. Ihr Ziel ist der der Bau ein Weltwunders.

Die Idee der Nation, wie wir sie kannten, wird somit peu-à-peu, doch zeitgemäß in eine neue Idee überführt. Europa ist eine Stadt, und Metropa ist ihr Öffentlicher Nahverkehr. Der Europäische Pass ist seine Jahreskarte, und umgekehrt. Metropa wird über Steuermittel finanziert, alles andere wäre im gesamteuropäischen Kontext unsozial und unmoralisch. Und all jene, die jetzt daran zweifeln, haben die Herausforderungen der Zukunft und ebenso die europäische Idee nicht erfasst. Wir können Mobilität, soziale Gerechtigkeit und europäische Integration zu einer Idee verschmelzen. Darum geht es bei Metropa.

Aber hey: was Sie hier lesen, ist eine Vision, meinetwegen ein Vorschlag für den Werkzeugkeller. Denken Sie in Ruhe darüber nach.

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